Paul Hengge

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Cover des Buches Der Rosengarten (ISBN: 9783442099122)
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Rezension zu "Der Rosengarten" von Paul Hengge

Katjuschka
Ein außergewöhnliches Buch!

Mit zärtlicher Umarmung bedankt sich ein etwa 60jähriger Mann auf dem Frankfurter Flughafen bei der kleinen Tina, die dem Fremden seine verlorene Brieftasche nachtrug. Ti­nas Mutter, die junge Anwältin Gabriele Freund, beobachtet überrascht die rührende Szene und ist entsetzt, als der Mann gleich darauf ihre Tochter rücksichtslos niederstößt, um einen gutgekleideten alten Herrn brutal zu attackieren. Der Überfallene muß mit ernsthaften Verletzungen ins Krankenhaus, der Angreifer wird gewaltsam abgeführt. Bei den Verhören schweigt er. Weder über seinen Namen, noch über sein Tatmotiv will er Aus­kunft geben; einziger Anhaltspunkt: eine ver­blaßte KZ-Nummer auf seinem Arm. Oberstaatsanwalt Brinkmann bittet Gabriele Freund, die Verteidigung des Fremden zu übernehmen, falls sie vom Gericht dazu auf­gefordert wird. Widerstrebend beginnt die junge Juristin, der das Recht über alles geht und die meint, die Nazi-Vergangenheit müß­te endlich abgeschlossen sein, ihre Recher­chen. Aber das menschliche Drama um Aa­ron Reichenbach und seine beiden Schwe­stern, die als Kinder von ihren Eltern getrennt und im KZ Neuengamme interniert wurden, verändert Gabriele Freunds Denken und Han­deln nachhaltig. Aaron Reichbachs Schwester Rachel gehörte zu den 20 Kindern, die mit sinnlosen medizinischen Experimenten ge­quält wurden, ehe man sie - kurz vor Kriegs­ende - im Schulhaus am Bullenhuser Damm in Hamburg erhängte. Kommandierender Of­fizier bei dieser Mordaktion war SS-Ober­sturmführer Arnold Krenn, der alte Herr, den Aaron Reichenbach am Flughafen attackiert hatte, weil Krenn ihm jegliche Auskunft über den Verbleib seiner zweiten Schwester ver­weigerte.

Die Handlung des Buches ist frei erfunden, aber die Ermordung der Kinder am Bullenhuser Damm ist leider geschichtliche Wahrheit. Der verantwortliche Kommandant der Ham­burger Außenlager des KZ Neuengamme, zu denen die Schule am Bullenhuser Damm ge­hört, wurde von einem Hamburger Gericht 1985 für dau­erhaft verhandlungsunfähig erklärt. Die Er­mittlungen gegen ihn wurden bereits 1967 eingestellt. Der Staatsanwalt in Hamburg begründeteden damaligen Entschluß folgendermaßen: „Die Ermittlungen haben nicht mit der erfor­derlichen Sicherheit ergeben, daß sich die Kinder über Gebühr lange quälen mußten, bevor sie starben. Im Gegenteil spricht man­ches dafür, daß sämtliche Kinder gleich nach Empfang der ersten Spritze das Bewußtsein verloren und aus diesem Grunde alles weite­re, was mit ihnen geschah, nicht wahrgenom­men haben. Ihnen ist also über die Vernich­tung ihres Lebens hinaus kein weiteres Übel zugefügt worden, sie hatten insbesondere nicht besonders lange seelisch oder körper­lich zu leiden. Die Erhängung der Kinder er­füllt nach alledem, unter so grausigen Bedingungen auch immer sie geschah, nicht das Tatbestandmerkmal der Grausamkeit"

Wie es Victor Kaufmann gelang, Adolf Hitler doch noch zu überleben

Wie es Victor Kaufmann gelang, Adolf Hitler doch noch zu überleben


In den 20er Jahren lernen der wohlhabende Galerist Jakob Kaufmann und seine Frau Hannah den Jungen Rudi Smekal in Wien kennen. Da sie in ihm ihren eigenen Sohn wiedererkennen, er sehr intelligent ist und den kargen Lebensunterhalt für sich und seine alkoholkranke Mutter durch das Austragen von Milch bestreitet, möchten sie ihn unterstützen.  
Wenig später verbringt er eine Woche in ihrem Haus in Nürnberg und freundet sich mit ihrem Sohn Victor an. Es ist eine seltsame Freundschaft, in der sie sich stets zu übertrumpfen versuchen.
Da die Familie Kaufmann jüdisch ist, wird es zunehmend schwieriger für sie, in Deutschland zu leben. Schließlich wird der Vater verhaftet und nur unter Preisgabe wertvoller Kunstgegenstände wieder freigelassen und die Familie kann nach Wien auswandern. Doch der Frieden währt nicht lange und schließlich hängt das Leben der Familie von einem Gemälde Michelangelos ab. Zwischen Victor und Rudi, der inzwischen SS-Mitglied ist, entbrennt ein Kampf um das Gemälde auf Leben und Tod.

Der Titel verrät ja schon, dass es Victor gelingen wird zu überleben. Nichtsdestotrotz wird der Roman dadurch nicht weniger spannend. Und spannend ist er wirklich. Immer wieder scheint einer der Kontrahenten im Vorteil zu sein, immer wieder wendet sich das Blatt. 

Der Eindruck entsteht, dass der Erzähler mit zeitlicher Distanz die Geschehnisse Revue passieren läßt. Gelegentlich flechtet er Kommentare ein, die wohl zum Verständnis des Verhaltens seiner Figuren beitragen sollen allerdings eher belehrend wirken.

Paul Hegge hat eine auktoriale Erzählweise gewählt, wobei Victors Perspektive im Zentrum des Romans steht, aber auch andere Figuren beleuchtet werden. Leider bleiben die Charaktere seltsam unnahbar und emotionale Verbundenheit läßt sich nur schwer herstellen. Allein Jakob Kaufmann und Victors Nähe zu seinen Eltern schaffen es, anzurühren. Ganz im Gegensatz zu Rudi, der sehr unsympathisch ist. Es ist merkwürdig, dass er von den Kaufmanns jahrelang wie ein Familienmitglied behandelt wird und dann dennoch so leichtempfänglich für die nationalsozialistische Propaganda ist. Nicht nur er ist ein Beispiel dafür, dass sich die Beweggründe aller Beteiligten nicht immer nachvollziehen lassen. Beispielsweise fragt man sich, ob die Freundschaft von Viktor und Rudi wirklich so eng sein kann wie beschrieben. Es wirkt als beständen von Anfang an Animositäten und die weitere Entwicklung spricht auch nicht gerade für eine große Nähe.

 
Paul Hegges Schreibstil ist flott und komplementiert die Zeit der Handlung und die Geschichte.  Teilweise gibt es Einwürfe zu den historischen Ereignisse, die den politischen Hintergrund der jeweiligen Handlung bilden. Sie sind kurz gehalten, so dass sie eine gute Orientierung bieten, aber informierte Leser nicht stören.

Insgesamt  bildet der wirklich raffiniert konstruierte Plot das Zentrum des Romans und bietet den Grund, warum man ihn lesen sollte. Die Spannung wird überaus gekonnt aufgebaut und trägt den Leser bis zur letzten Seite. Am Ende scheint es als habe man viel mehr Seiten gelesen als das Buch aufweist. Es könnte daran liegen, dass man in diesem Roman soviel miterleben durfte. 

 

Der Roman wurde mit Moritz Bleibtreu und Joachim Król verfilmt.

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