Mit zärtlicher Umarmung bedankt sich ein etwa 60jähriger Mann auf dem Frankfurter Flughafen bei der kleinen Tina, die dem Fremden seine verlorene Brieftasche nachtrug. Tinas Mutter, die junge Anwältin Gabriele Freund, beobachtet überrascht die rührende Szene und ist entsetzt, als der Mann gleich darauf ihre Tochter rücksichtslos niederstößt, um einen gutgekleideten alten Herrn brutal zu attackieren. Der Überfallene muß mit ernsthaften Verletzungen ins Krankenhaus, der Angreifer wird gewaltsam abgeführt. Bei den Verhören schweigt er. Weder über seinen Namen, noch über sein Tatmotiv will er Auskunft geben; einziger Anhaltspunkt: eine verblaßte KZ-Nummer auf seinem Arm. Oberstaatsanwalt Brinkmann bittet Gabriele Freund, die Verteidigung des Fremden zu übernehmen, falls sie vom Gericht dazu aufgefordert wird. Widerstrebend beginnt die junge Juristin, der das Recht über alles geht und die meint, die Nazi-Vergangenheit müßte endlich abgeschlossen sein, ihre Recherchen. Aber das menschliche Drama um Aaron Reichenbach und seine beiden Schwestern, die als Kinder von ihren Eltern getrennt und im KZ Neuengamme interniert wurden, verändert Gabriele Freunds Denken und Handeln nachhaltig. Aaron Reichbachs Schwester Rachel gehörte zu den 20 Kindern, die mit sinnlosen medizinischen Experimenten gequält wurden, ehe man sie - kurz vor Kriegsende - im Schulhaus am Bullenhuser Damm in Hamburg erhängte. Kommandierender Offizier bei dieser Mordaktion war SS-Obersturmführer Arnold Krenn, der alte Herr, den Aaron Reichenbach am Flughafen attackiert hatte, weil Krenn ihm jegliche Auskunft über den Verbleib seiner zweiten Schwester verweigerte.
Die Handlung des Buches ist frei erfunden, aber die Ermordung der Kinder am Bullenhuser Damm ist leider geschichtliche Wahrheit. Der verantwortliche Kommandant der Hamburger Außenlager des KZ Neuengamme, zu denen die Schule am Bullenhuser Damm gehört, wurde von einem Hamburger Gericht 1985 für dauerhaft verhandlungsunfähig erklärt. Die Ermittlungen gegen ihn wurden bereits 1967 eingestellt. Der Staatsanwalt in Hamburg begründeteden damaligen Entschluß folgendermaßen: „Die Ermittlungen haben nicht mit der erforderlichen Sicherheit ergeben, daß sich die Kinder über Gebühr lange quälen mußten, bevor sie starben. Im Gegenteil spricht manches dafür, daß sämtliche Kinder gleich nach Empfang der ersten Spritze das Bewußtsein verloren und aus diesem Grunde alles weitere, was mit ihnen geschah, nicht wahrgenommen haben. Ihnen ist also über die Vernichtung ihres Lebens hinaus kein weiteres Übel zugefügt worden, sie hatten insbesondere nicht besonders lange seelisch oder körperlich zu leiden. Die Erhängung der Kinder erfüllt nach alledem, unter so grausigen Bedingungen auch immer sie geschah, nicht das Tatbestandmerkmal der Grausamkeit"