Rezension zu "Lachsfischen im Jemen" von Paul Torday
Lachse und Angeln. Und das über mehr als 320 Seiten? Ich halte persönlich nicht viel von diesem Sport. Nicht nur, weil mir die Fische leid tun, sondern ich denke auch, dass es ein wenig aufregendes Hobby ist. Und dann ein ganzes Buch über Lachse und Fischerei? Kann das spannend sein? Ich habe mich auf das Experiment eingelassen und bin zu dem Schluss gekommen, dass es so ist. Dies liegt zum einen an dem herrlich schrägen Plot, zum anderen aber auch an dem erzähltechnisch sehr spannenden Aufbau.
Worum geht es genau?
Der britische Wissenschaftler und Fischereiexperte Dr. Alfred Jones wird darum gebeten, dem unverschämt reichen Scheich Muhammad ibn Zaidi bani Tihama bei der Realisierung seines wahnwitzigen Plans zu helfen. Er möchte einen Wadi in einen Lachsfluss verwandeln und so den Angelsport im Jemen etablieren (einem islamischen Land, in dem es überhaupt keine Tradition des Fischens gibt). Jones lehnt zunächst ab, doch dann mischt sich der Pressesprecher des britischen MP ein, der dieses harmlose Projekt zunächst als perfekte Gelegenheit für eine (angesichts des Irak-Kriegs dringend notwendige) positive PR-Kampagne sieht. Er übt Druck auf den Fischereiwissenschaftler aus, der daraufhin, zusammen mit einer Mitarbeiterin in diesem Projekt namens Harriet Chetwode-Talbot den Scheich auf dessen Anwesen in Schottland trifft.
Ein ganz besonderer Erzählstil
Es ist nicht nur die herrlich absurde Geschichte, die diesen Roman zu etwas ganzem Besonderen macht, es ist der Aufbau und der ihm eigene, sehr trockene und bisweilen etwas böse britische Humor. Der Roman besteht aus Emails, Zeitungsausschnitten, Protokollen, Tagebucheinträgen und im letzten Abschnitt auch Verhörprotokollen. So bekommt der Leser einen humorvollen Einblick in die freud- und lieblose Ehe des Protagonisten, weil die Emails, die Alfred und Mary austauschen so verfasst sind, dass man ganz genau herauslesen kann, was die Eheleute sich eigentlich sagen möchten. Die wissenschaftliche Ernsthaftigkeit mit der versucht wird, Wege zu finden, das absurde und absolut nicht umsetzbare Projekt zu realisieren, ist herrlich komisch, ebenso wie der Einblick in die Korrespondenz hinter den Kulissen von 10 Downing Street, was Teile des Romans zu einer sehr bissigen und kritischen Politsatire macht. Auch Al-Kaida mischt sich in das Projekt ein. Auch wenn der grundsätzliche Ton humorvoll ist, so enthält der Roman auch sehr absurd-traurige Elemente, bei denen einem das Lachen wie eine Gräte im Hals stecken bleibt.
Der Scheich ist eine besonders interessante Gestalt. Er glaubt fest an das Gute, an die Möglichkeit der Verwirklichung seines Traums und an die positiven Auswirkungen dieses Projekts auf die Bevölkerung. Er ist der einzige, der immer nur durch Dritte geschildert wird. Wir erfahren nie, was er wirklich denkt. Das was aber deutlich wird, ist, dass er den kauzigen Wissenschaftler Jones nachhaltig verändert. So ist der Roman ebenso sehr Entwicklungsroman wie Wissenschafts – oder Politsatire.
In der zweiten Hälfte beginnen Verhörprotokolle, da wird es richtig spannend, weil es schwierig ist, aus den Aussagen zusammenzusetzen, was nun eigentlich geschehen ist.
Also, alles in allem ist es ein sehr lesenswerter und komplexer Roman, der viel Stoff zum Nachdenken bietet, aber gleichzeitig so locker-leicht und humorig geschrieben ist, dass er keine Sekunde langweilig ist.
Wem das Buch gefallen könnte? Das ist dieses Mal sehr schwierig, da ich kein Buch kenne, das diesem hier ähnlich ist. Ich kann nicht einmal sagen, dass es für Menschen ist, die sich für Lachsfischen oder für britische Nahostpolitik interessieren oder generell Satire mögen, denn da gehöre ich eigentlich auch nicht zu. Ich empfehle es also jedem, der Mut und Lust hat, sich bei Tordays Debütroman auf etwas Neues einzulassen.
Es gibt offenbar auch eine Verfilmung. Da ich aber nach dem Trailer („Wohlfühl-Komödie“) befürchte, dass dieser so flach wie die jemenitischen Wadis vor der Regenzeit ist, empfehle ich den Roman.