Cover des Buches Salmon Fishing in the Yemen (ISBN: 9780753821787)
Rezension zu Salmon Fishing in the Yemen von Paul Torday

Großartige Satire

von Ein LovelyBooks-Nutzer vor 10 Jahren

Rezension

Ein LovelyBooks-Nutzervor 10 Jahren

Der Fischereiexperte und Lachsangler Dr. Alfred Jones erhält eine Anfrage, die leichter nicht abzulehnen wäre: Er soll für Scheich Muhammad im Jemen ein Wadi zum Lachsfluss umbauen, sodass dort jederzeit geangelt werden kann. Der Scheich, passionierter Angler mit entsprechendem Grundbesitz in Schottland, hätte genug Geld, um seine Vision Realität werden zu lassen. Jones' Ablehnung folgt -Geld hin oder her- auf dem Fuß. Doch die zuständige Projektmanagerin Harriet Chetwode-Talbot ist ebenso hartnäckig wie die Vorgesetzten von Jones obrigkeitshörig sind. Von dem Lachsprojekt bekommen der PR-Berater des Premierministers sowie einige andere hochrangige Beteiligte in Behörden und Forschungszentren Wind. Ein solches Projekt, egal wie absurd, könnte für positive Nachrichten aus einem Nahostgebiet mit sonst eher negativer Presse sorgen. Jones wird infolgedessen kräftig unter Druck gesetzt, das Projekt anzunehmen.

Auf der einen Seite wird Jones nun zum Spielball politischen Kalküls, denn die britische Regierung will irgendwie von der Zusammenarbeit eines jemenitischen Scheichs mit britischen Experten profitieren. Aber sie will der Sache auf keinen Fall einen offiziellen Anstrich verleihen. Kurz nach Projektstart fliegt Jones also aus dem Forschungszentrum und wird fortan von der Immobilienagentur beschäftigt, die den Scheich in England betreut. Auf der anderen Seite wird er zum Verführten. Der Scheich, ein Ruhepol und ruhiger Mensch mit einem festen Ziel vor Augen, steckt Jones mit seiner absoluten Hingabe für das Lachsprojekt an.

In dieser erstklassigen Satire kommt niemand gut weg, nicht einmal Dr. Jones - wenn auch er der einzige ist, der an dem Projekt wächst und zu einem veränderten Menschen wird. Jones, ein kompetenter, aber schüchterner Mann, steht daheim unter dem Pantoffel. Verheiratet ist er mit seiner ehemaligen Kommilitonin Mary, einer hoch ehrgeizigen Finanzmanagerin, in deren Leben kein Platz zum leben ist. Sie ordnet alles ihrem Beruf unter und Alfred Jones hat "available" zu sein, wenn es ihr Terminkalender zulässt. Er wird gezwungenermaßen Werkzeuge für andere, macht die gesamte Arbeit und steht am Ende mit leeren Händen da (Mary im Prinzip ebenfalls, nur wird sie es nie merken). Er spürt den unfairen Usus, dass am Ende immer die Falschen den Hut nehmen müssen. Der charismatische Scheich, der schnell als positive Identifikation funktioniert hat, entlarvt sich bei guter Betrachtung auch nur als einer, der mit unfassbar viel Geld absurde Träume erfüllen will und Menschen nach Belieben steuert.

Das Buch spielt mit der alten Idee des Briefromans und setzt die gesamte Geschichte aus zum Beispiel Mails, Tagebucheinträgen oder Zeitungsartikeln zusammen. Nach etwa einem Viertel kommen Verhörprotokolle dazu. Dieser Kniff baut Spannung auf, denn er schickt die Ahnungen für ein ungeplantes und unangenehmes Ende vorweg. Mit ihrem jeweiligen Stil verraten die Schriftstücke viel über die Beteiligten. Nur vom Scheich gibt es keine eigenen Passagen, sodass Al Muhammad als einzige Figur ausschließlich durch die Augen seiner Kontakte gesehen wird und seine Faszination lange erhalten bleibt.

Torday hat eine sehr intelligente Satire auf eine opportunistische und damit unberechenbare Politik und Wirtschaft geschrieben. Der Stoff bot nicht nur anno 2011 die Grundlage für einen Film (berechtigterweise), sondern hat auch das Zeug, zum Klassiker unter den scharfzüngigen Analysen zu werden.


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