Es ist langatmig, das muss ich wohl gleich am Anfang loswerden. Der Autor zieht vieles in die Länge, manchmal schweift er auch einfach so von der Handlung ab, um über die Vergangenheit einer Figur zu erzählen, die meistens ziemlich langweilig ist. Dennoch blieb das Buch spannend.
Der Autor weiß, wie er Spannung aufbauen muss, wie er eine Atmosphäre bilden kann und natürlich sorgt er dafür, dass jede einzelne Figur ein Gesicht bekommt, eine Persönlichkeit, ein Herz und eine Seele. Jede Figur wurde schnell vor meinen Augen lebendig.
Dennoch hatte ich Schwierigkeiten, die beiden Protagonisten, Andrew und Eric, voneinander auseinanderzuhalten. Der Autor schüttelt über beiden so viele Informationen aus, dass es sich manchmal so anfühlte, als wären beide die gleiche Person. Im späteren Verlauf wechselt der Autor auf die Perspektive einer dritten, unsichtbaren Figur, die für beide Figuren gleichzeitig redet, was natürlich alles nochmals erschwert und verkompliziert hat.
Die Spannung war beim Lesen spürbar, fast schon wie etwas Körperliches, als hinge mein Leben mit den beiden Protagonisten zusammen. In der Mitte des Buches hat sich dann die ganze Vorarbeit entfaltet und ich wusste, ich könne auf gar keinen Fall mehr aufhören.
Am Ende spitzt sich alles zu, die Atmosphäre dichter, die Handlung intensiver, die Figuren lebendiger. Ständig musste ich mich beim Lesen ans Atmen erinnern und manchmal habe ich mich auch gewaltsam von dem Buch gelöst, damit ich etwas zur Ruhe kam. Und dann, am Schluss, als ich die letzte Seite überblättert habe, ist es plötzlich vorbei. Einfach so vorbei. Ich glaube, hätte mich der Autor getreten, wäre ich weniger enttäuscht gewesen, als mit so einem offenen Ende.
Nichts wird beantwortet. Die Figuren spielen verrückt, die Welt bricht auseinander und in meinem Kopf sprudelten so viele Fragen, als hätte ich mich in eine Fontäne verwandelt. Ich dachte, er würde sie beantwortet, die Handlung abklingen lassen und den Sturz des Lesers aus dieser Höhe langsam abfedern lassen. Stattdessen zieht er an einem unmöglichen Punkt eine Linie und beendet einfach die offenen Fragen und das ist eine Frechheit, als hätte er mir ins Gesicht gespuckt und meine Mutter beleidigt.
Er steigt in ein sehr kompliziertes Thema ein, ein unmenschliches Thema mit einer einzigen Frage, die durch jede Seite pulsiert wie ein verdammter Herzschlag, aber dann beantwortet er sie einfach nicht und das wahrscheinlich aus demselben Grund, warum ich sie auch nicht beantworten könnte: Er hat keine Ahnung.
Ich will nicht irgendetwas Interpretieren, meine eigenen Überlegungen machen, mein eigenes Ende für die Geschichte ausdenken, sondern ich verlange vom Autor, dass er die Fragen beantwortet, dass er nicht einfach den Schwanz einzieht und die Geschichte abbricht, sondern wirklich ein würdiges Ende für das Buch kreiert.
Hätte ich bloß geahnt, dass das Ende so weit offen ist, hätte ich das Buch auf gar keinen Fall gelesen. Es sind so viele Details, so viel Vorarbeit, so viele Handlungsstränge und alles hat am Schluss gar keine Bedeutung, weil das Ende nicht mehr als ein Abbruch ist. Das ist eine Beleidigung, schon eine Schandtat und gleichzeitig eine Warnung, nie wieder etwas von diesem Autor zu lesen.
Trotzdem gebe ich dem Buch drei Sterne und platziere meine Wertung genau in die Mitte, weil der Autor zu Schreiben weiß, einen funktionierenden Spannungsbogen besitzt und auch das Buch interessant war.