Rezension zu "British Destroyers 1892-1918" von Jim Crossley
Unter dem Titel „British Destroyers 1892 – 1918“ hat Osprey Ende 2009 seine New Vangard- Serie um die Ausgabe 163 ergänzt. Und wie kaum ein anderes Buch aus der Serie, deren Bezeichnung übersetzt so viel bedeutet wie „Vorhut, Spitze“ wird „British Destroyers“ diesem Serienanspruch gerecht. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Schiffstypen, die sich über lange Zeiträume entwickelt hatten, war der Zerstörer tatsächlich eine gezielte britische Neuschöpfung, deren Geburt sich relativ präzise auf das Jahr 1892 datieren lässt.
Die 1860 von den Ingenieuren Whitehead und Luppis für die österreichische Marine entwickelten von Schrauben getriebenen Torpedos nämlich waren seit den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts zum festen Bestandteil des Seekrieges gewordenen. Kleine, hölzerne, etwa 20 Knoten schnelle Torpedoboote von rund 100 Tonnen Wasserverdrängung und etwa 1000 PS Leistung, drohten den Stolz jeder Marine, die gepanzerten Dickschiffe mit ihrer gewaltigen Artillerie, schlichtweg nutzlos zu machen. Großbritannien fürchtete um seinen mächtigen, Panzerschiff gestützten Schutzschild. Immerhin hatten ausgerechnet die Franzosen 1884 durch den Einsatz eines Torpedobootes das chinesische Flaggschiff, eine hölzerne, dampfgetriebene rund 1500 Tonnen große Fregatte in der Schlacht von Fuzhou versenkt.
Die ersten Versuche, der Bedrohung durch die Entwicklung einer speziellen Schiffsklasse in den 1880er Jahren entgegenzutreten, waren kläglich gescheitert, zu langsam, zu groß, zu konventionell waren die sogenannten Torpedobootjäger mit den neu entwickelten Schnellfeuerkanonen. Erst mit dem radikalen Strategiewechsel bei der Schiffsklassenentwicklung hatte die Geburtsstunde des modernen Zerstörers geschlagen. Unter der Führung von Admiral Jackie Fisher hatte sich die Admiralität nämlich entschieden, die dringend benötigte neue Schiffsklasse nicht mehr selbst zu entwickeln, sondern Entwicklungsaufträge für Torpedobootzerstörer an mehrere zivile Schiffbauer gleichzeitig zu vergeben. Die Admiralität machte allerdings konkrete Vorgaben. Im Gegensatz zu ihrer geplanten Beute, den Torpedobooten, sollten die Torpedobootzerstörer bei jedem Wetter auf hoher See eingesetzt werden können. Sie sollten zudem die schnellsten Schiffe auf See sein und neben den Schnellfeuerkanonen zur Vernichtung der modernsten gegnerischen Torpedoboote auch noch selbst Torpedos tragen, um jedes Dickschiff außer Gefecht setzten zu können.
Im Ergebnis waren 1892 sechs unterschiedliche Prototypen von bald nur noch Zerstörer genannten Schiffen vom Stapel gelaufen, die sich nicht nur als völlig eigenständige Schiffsklasse sondern auch als hochwirksame neue Seekriegswaffe entpuppte. Einige der ersten Zerstörer waren sogar, wie der Autor von „British Destroyers“, Jim Crossley hervorhebt, bis 1918 in Dienst.
Ausführlich beschäftigt sich der Spezialist für die Zerstörer des ersten Weltkrieges mit dem revolutionären Design und der Konstruktion der ersten Vertreter dieser neuen Schiffsklasse. lllustriert durch hervorragende Zeichnungen von Paul Wright und durch historische Fotos, zeichnet Crossley die einzelnen Entwicklungsschritte von den ersten Modifikationen bis zu den systematisch weiterentwickelten Klassen bis zum Ende des 1. Weltkrieges nach. Dabei wird sehr schön deutlich, dass die Torpedobootbekämpfung schnell vor den sich immer mehr verändernden Anforderungen in den Hintergrund getreten war. Immerhin hatten die Zerstörer der Royal Navy schon bald gleichwertige Gegner in den anderen Marinen erhalten, auf die Antworten gefunden werden mussten.
Wie die Antworten auf neue Anforderungen hinsichtlich Design und Bewaffnung aussahen, erfährt der Leser von „British Destroyers“ in den Kapiteln „The Ships: Further Developments“ und „Gun Armament“.
Eine zahlenmäßige Gegenüberstellung der britischen und deutschen Zerstörerflotte des ersten Weltkrieges stimmt schließlich auf das Kapitel „Destroyers in Combat 1914 – 1918“ ein. Im Scharmützel von Texel beschreibt Crossley das Zusammentreffen zwischen einem britischen Zerstörerverband und einer deutschen Zerstörerflottille, die vollständig aufgerieben worden war. Interessant hierbei die unterschiedlichen Zerstörerkonzepte der Briten und der Deutschen. An der Schlacht von Jütland, ein weiteres Beispiel für die wachsende Bedeutung der und die veränderten Anforderungen an die Zerstörerwaffe, waren 85 britische und 72 deutsche Zerstörer beteiligt. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass Zerstörer gegenüber einer gut organisierten und geführten Schlachtflotte relativ ineffektiv waren. Beim Geleitschutz, in der U-Boot- Bekämpfung, beim Minenlegen, der Küstenwache oder bei Einzelaktionen jedoch entwickelten die kampfkräftigen schnellen Schiffe ihre eigentlichen Stärken.
„British Destroyers“ ist wie bei den Osprey-Serien üblich, gut verständlich und kompakt geschrieben und mit Illustrationen und Fotos versehen, die auch für Modellbauer eine wahre Fundgrube darstellen. Dass hier aber gänzlich auf Quellenangaben und Literaturhinweise verzichtet worden ist, erscheint ein wenig befremdlich und auch enttäuschend. Der Stoff ist immerhin interessant genug, um sich damit zu den verschiedenen Aspekten ein wenig tiefergehend zu beschäftigen, der im Wesentlichen die Schiffsnamen umfassende Index reicht hierfür bei Weitem nicht aus.
Schifffahrtsgeschichte, Marinegeschichte, Schiffbaugeschichte, Seekrieg