Rezension zu "Mit dem Wind" von Paula Leonhardt
Im Sommer 1884 lernt die junge, abenteuerlustige Mathilde „Tille“ Krämer den Ballonfahrer Paul Naumann kennen. Er verkörpert ihren Traum vom Abenteuer. Sie beginnt, für ihn als Näherin zu arbeiten und schon bald steigen die beiden zusammen in Naumanns Ballon auf. Tille wird selbst Ballonfahrerin und Fallschirmspringerin und tritt fortan mit ihm auf.
Aber nicht nur das Ballonfahren und Abspringen ergreift sie: Schnell fühlt sie sich von dem charismatischen Paul angezogen – sehr zum Missfallen von Fritz, Tilles langjährigem Freund. Um ihre Freundschaft nicht zu gefährden, hat dieser es nie gewagt, Tille seine Liebe zu gestehen.
Tille bekommt ein Kind von Paul und eigentlich scheint alles perfekt. Doch dann kommt es zu einem tragischen Unfall, der alles verändert. Mit der Hilfe ihrer Mutter und ihres Freundes Fritz kommt Mathilde wieder auf die Beine und schafft es, an ihren Träumen festzuhalten.
Der Roman springt zwischen den Zeiten, beginnend im Jahr 1929. Tilles Tochter Rosa kommt gerade von der Beerdigung ihrer Mutter und erinnert sich an ihr Leben. Dabei wird die Geschichte mal aus Rosas, mal aus Tilles oder Fritz‘ Sicht erzählt.
Im Großen und Ganzen hält sich die Autorin, die den Roman unter dem Pseudonym Paula Leonhardt veröffentlicht hat, nahe an wahren, bekannten Begebenheiten um Käte Paulus. Die Geschichte „drumherum“ ist ihrer Fantasie entsprungen und da diese Erzählungen einen großen Teil einnehmen, finde ich es gut, dass sie ihren Hauptfiguren neue Namen gegeben hat. Die Vorlage für Leonhardts Tille, Käte Paulus, war eine bemerkenswerte Frau, die sich den Konventionen ihrer Zeit hinweg setzte und der Autorin ist es weitgehend gelungen, dies auch auf Tille zu übertragen.
Der Erzählstil ist flüssig und fesselnd, doch es gibt auch ein „Aber“. Manche Szenen sind etwas langatmig – gerade, wenn es darum geht, dass Tille sich ihrer Gefühle für Paul oder Fritz bewusst wird. Schade fand ich es, dass in dem Roman keinerlei Bezug zu anderen Pionieren und Pionierinnen der Luftfahrt gemacht wird – etwa zu den ersten erfolgreichen Gleitflügen, die in die Zeit von Tilles ersten Aufstiegen und Absprüngen fallen.
Die Figur der Rosa in den späten 1920ern hätte es meiner Ansicht nach nicht unbedingt gebraucht, aber das ist sicher Geschmackssache.
Gestolpert bin ich über die ein oder andere Unstimmigkeit rund um Begrifflichkeiten der Anfänge der Luftfahrt. So bin ich mir nicht sicher, ob eine Mutter 1880 – mehr als zehn Jahre vor den ersten erfolgreichen Gleitflügen Lilienthals – den Begriff „Segelflugzeug“ genutzt hätte oder ob man damals wirklich Diskussionen geführt hat, dass ein Ballon „fahre“ und nicht „fliege“. Doch das sind Spitzfindigkeiten, die der Geschichte als Ganzem keinen Abbruch tun.