"Tagebuch.Ostersonntag,30.März 1902: Es ist meine Erfahrung,daß die Ehe nicht glücklicher macht.Sie nimmt die Illusion,die vorher das ganze Wesen trug,daß es eine Schwesternseele gäbe.Man fühlt in der Ehe doppelt das Unverstandensein,weil das ganze frühere Leben früher darauf hinausging,ein Wesen zu finden,das versteht.Und ist es vielleicht nicht doch besser ohne diese Illusion, Aug' in Auge einer großen einsamen Wahrheit? Dies schreibe ich in mein Küchenhaushaltebuch am Ostersonntag 1902,sitze in meiner Küche und koche Kalbsbraten." und "Aus Otto Modersohns Tagebuch,7.7.1902: meine Paula ist doch eine feine Deern.Eine Künstlerin durch und durch.Ihr Farbensinn - wie bei keinem hier;ich komme zur Zeit nicht mit.Ich bin einfach paff darüber.Mir ist das nie passiert,außer hie und da bei Fritz Mackensen am Anfang.Mir ist das riesig gut.Das rüttelt mich auf.>Diese kleine Deern soll besser malen wie Du,der Deubel,das wäre doch<.Junge,Junge,jetzt fange ich an.Mir sind die Augen offen.Das wird ein Wettlauf."
und "Loser Zettel.Herbst 1902: Ich nahm heut ein warmes Bad.Da war mir so wohlig.Klein Elsbeth half mir.Sie tippte auf meine Brüste und fragte,was das sei.Ja Kind!Das sind Mysterien...Dann lief ich draußen durch lauen Herbstwind mit halbem Mondscheinschimmer.Das Bad hatte mein Blut so schnell und tatendurstig gemacht und in meiner Kehle saß ein Ton,der gesungen sein wollte.Denn manchmal klingt meine Stimme.Das ist,wenn Seele und Sinne mir voll sind.Heute las ich,daß in den ersten Stadien des Menschenembryo sein Herz im Kopf sitze und erst allmählich in die Brust rutsche.Mir ist es ein süßer Gedanke,daß sie so nebeneinander geboren sind,Herz und Verstand.Das bestätigt mein Gefühl.Ich kann sie bei mir meist nicht von einander trennen." Heute klingt ihre Stimme oft.Hundert Jahre nachdem sie gestorben ist.Das ist,weil die Seele und die Sinne ihr voll waren und sie davon geschrieben und gemalt hat.In diesem Buch findet sich beides.Und es findet sich auch wie sich zwei finden und wieder verlieren und wieder finden und am Ende kommt ein Kind und sie stirbt und sie verlieren sich in die Geschichte hinein."Wie schade!" waren Paulas letzte Worte.In diesem Buch finden sich Paulas Bilder und Briefe und Tagebuchnotizen und auch die Schriften anderer,alles chronologisch.Doch etwas fehlt: die Bruchstücke sind nicht genug eingebettet,oft fehlte mir der Zusammenhang.Dann hab ich lieblos überflogen.Doch die gefundenen Textperlen sind toll und die Bilder und die Fotos auch.
Rezension zu "Göttertage" von Paula Modersohn-Becker