Paulina Schulz-Gruner

 4,8 Sterne bei 10 Bewertungen

Lebenslauf

Paulina Schulz-Gruner, geboren in Polen, lebt seit 1989 in Deutschland und studierte am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Sie hat u. a. Jerzy Pilch, Marek Krajewski, Magdalena Parys, Angela Bajorek und Michał Wójcik ins Deutsche übersetzt und mehrere eigene Bücher veröffentlicht. Heute lebt sie in Stralsund und Swinemünde auf Usedom.

Quelle: Verlag / vlb

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Neue Rezensionen zu Paulina Schulz-Gruner

Cover des Buches Wie man einen Diktator satt bekommt (ISBN: 9783948923280)
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Rezension zu "Wie man einen Diktator satt bekommt" von Witold Szabłowski

Gwhynwhyfar
Ein historischer Blick auf das 20. und 21. Jahrhundert, persönlich, nicht in Form von Geschichtsbüchern.

«‹Erzähl mir etwas über Saddam.»

‹Ein mieses A…loch›, erwidert er und nickt sich selbstbestätigend zu. ‹Er wurde in der Nähe von Tikrit geboren, und das war schon seit jeher die Stadt der Diebe und Schmuggler. Die Tikriter sind stolz darauf, dass auch Saladin, der große arabische Führer, von dort stammt. Sadam wuchs in diesem Kult auf und hatte offenbar die Idee verinnerlicht, dass er der nächste große islamische Führer werden müsse. Vielleicht musste er so enden, wie es geendet hat.»


Sein Koch kommt seinem Gewaltherrscher wie Saddam Hussein, Idi Amin und Fidel Castro ziemlich nahe. Der muss ihm vertrauen, und der Koch kennt seine Gewohnheiten … Diktatoren lügen bekanntlich, was das Zeug hält, besonders vorm Volk. Seinen Koch kann man nicht belügen, der kennt den Despoten in- und auswendig, genauso wie sein Arzt (der den Koch berät). Witold Szablowski hat sie aufgestöbert: die Köch:innen der Diktatoren. Und er lässt sie erzählen. Aus verschiedenen Gründen lebt es sich auch gefährlich in dieser Position. Die meisten sind distanziert gegenüber ihren alten Chefs, aber nicht alle; Verklärungen nicht ausgeschlossen. Darum stellt der Autor kritische Fragen, fragt die Menschen, die unter den Machthabern litten, präsentiert die Lebensläufe der Interviewten. Ein historischer Blick auf das 20. und 21. Jahrhundert, persönlich, nicht in Form von Geschichtsbüchern. Im Vordergrund Topf und Pfanne, im Hintergrund die großen Dramen, Kriege und Genozide – eine Zusammenfassung der historischen Zusammenhänge und Gräueltaten der Tyrannen inklusive. Die Köche von Fidel Castro, Saddam Hussein, Idi Amin, Pol Pot und Enver Hoxha berichten – allerdings ohne Kochrezepte, dafür gewürzt mit vielen Anekdoten.



«Zurück in Uganda musste ich mich zusammenreißen und weitermachen. Unter Amin war es nicht wie bei Obote, der mich mochte und bei dem ich mir viele Freiheiten herausnehmen konnte. Bei General Amin musste ich mich vorsehen. Mein Leben hing von meinen Fähigkeiten ab.»



Otonde Odera war der Küchenchef von gleich zwei Diktatoren, von einem sogar zweimal (Milton Obote, nach dem Staatsstreich Idi Amin und nach dessen Sturz wieder Milton Obote). Milton Obote liebte die europäische Küche, besonders die Britische mit, Fleisch und Mince Pies, Puddings. Idi Amin war eher einfach gestrickt, er bevorzugte gefüllte, gebackene Ziege. Für ihn musste Odera sich nach dess Machtübernahme beschneiden lassen. Der Despot drückte ihm eine zweite Ehefrau aufs Auge, inclusive Gehaltserhöhung und einen Mercedes: er sollte ja was darstellen. Idi Amins unkontrollierte Wut ist legendär, ebenso seine Sucht nach Frauen. Wenn ihm irgendetwas nicht passte, knipste er den Beschuldigten aus – auch schon mal ganze Familien. Dem Koch hing die Angst im Nacken. Das meiste ist wahr, was man über Idi Amin erzählt, berichtet er, z. B. dass er seine Feinde den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen habe. Aber Menschenfleisch kam nicht auf den Tisch – Odera weiß, was in seinen Töpfen landete – Mensch garantiert nicht. Das sei ein Gerücht.


«Idi Amin war verrückt nach Frauen. Ständig hatte er Affären, eine Geliebte nach der anderen. Keine durfte ihn zurückweisen. Wenn so etwas vorkam, musste die besagte Frau das Land verlassen, sonst drohte ihr seine Rache. Wenn ihm eine verheiratete Frau gefiel, konnte es passieren, dass seine Leute deren Ehemann umbrachten.»


Yong Moeun, die Köchin von Pol Pot ist bis heute verliebt ihn. Ihre Geschichte wird versetzt berichtet. Das ist auch gut so, wenn sie von seinen sanften Augen berichtet, von seiner Schönheit. Er ließ sich seinen geliebten Papayasalat servieren, während das Volk hungerte. Thailändische Gerichte standen auf seinem Plan, das Nationalgericht Kambodschas verschmähte er; er der sich als Nationalist rühmte. Umgeben von einem großen Sicherheitsdienst misstraute er jeder Person in seinem Dunstkreis – ließ Vertraute bei geringstem Verdacht liquidieren, gleich einschließlich der gesamten Familie und persönlichem Umfeld. Hunderttausende Menschen ließ Pol Pot ermorden, manche, weil sie Brillenträger:innen waren. 

Saddam Hussein war ein Idiot mit sadistischen Humor, ein Blender. Schmeckte ihm das Essen nicht, musste der Koch aus eigener Tasche das Menü bezahlen. An der Front musste der Koch behaupten,  Landesvater Saddam bereite selbst liebevoll das Essen für seine Soldaten zu. Das Huhn kam allerdings fertig gekocht an, der Reis halbgar. Den musste Saddam lediglich zu Ende garen, ein wenig würzen, um ihn dann persönlich zu servieren. Jedes Mal hat er den Reis versaut! Zu dumm Reis zu kochen. Ach ja, sein Lieblingsgericht: «Fischsuppe nach Art der Diebe».


Der Chefkoch von Enver Hoxha in Albanien, ein Herr K., möchte seinen Namen nicht genannt haben,  der Einzige ohne Foto in diesem Buch. Ihm wurde der heikle Job übertragen, nachdem sein Vorgänger liquidiert wurde, da der paranoide Hoxha den beschuldigt hatte, ihn vergiften zu wollen. Aus der Küche gezerrt, zum Erschießungskommando in den Wald geschleppt. Hoxha war Diabetiker, durfte nicht mehr als 1.500 Kalorien täglich zu sich nehmen. Daher war er stets hungrig, was seine Laune noch übler machte, noch aggressiver. Es gibt eine witzige Geschichte zu Esskastanien, die in Albanien nicht zu bekommen war, der Diktator dem Koch aber ein Ultimatum stellte – und dieser ihn schlussendlich übers Ohr haute. Die Schwester von Hoxha lieferte Familienrezepte zum Wohlbefinden. Und Herr K. berichtet, wie er wie ein Weltmeister um sein Leben in der Küche trickste als sich niemand wagte, dem Despoten zu erklären, dass es in Albanien nichts zu essen gab.


«Man kann Fidel für viele Dinge kritisieren, aber niemals war er hinterlistig. ‹Er hat euch doch alle enteignet!›, sagte der Exkubaner. ‹Zuallererst hat er seine eigene Familie enteignet!›, konterte ich. ‹Und hat er euch gezwungen auszuwandern? Nein, hat er nicht. Er hat gesagt, wenn ihr gehen wollt, ist die Tür offen, denn ich möchte ein Land aufbauen, in dem ihr nicht jeden Tag Hummer zum Abend essen werdet.›» 


Fidel Castro ist der Harmloseste in dieser Gruppe – nach den anderen Ungeheuern fast sympathisch. Er sei ein ruhiger Zeitgenosse gewesen, stets freundlich zu seinem Umfeld. Ernesto Che Guevara wird als aufbrausend und bestimmend beschrieben. Castro habe es immer gut gemeint, ehrlich, mit Kuba, so der Koch – auch wenn es praktisch nicht so funktioniert habe. Fidel bangte um sein Leben, bekanntlich hat die CIA einige Mordanschläge verübt, angefangen von Gift in Zigarren oder Essen über Haarausfall bewirkende Chemikalien oder LSD, bis hin zu Schusswaffen und Bombenanschlägen. Fidel sei verrückt nach Milchprodukten gewesen, insbesondere Eiscreme. Sein Traum war die Coppelia für alle: Jeder sollte in Eisdielen die besten Eissorten aus Schafsmilch, Ziegenmilch und Eselsmilch genießen können. Dazu wurden Kühe gezüchtet, mit dem Ergebnis der sagenumwobenen Ubre Blanca, eine Kuh, die 100 Liter Milch gab. Ein riesiger Propagandafeldzug ging ins Land. Doch leider konnte die Kuh mit dem Rieseneuter ihren Milchrekord nur kurz halten und verstarb recht bald – immerhin schaffte sie es ins Guiness Buch der Rekorde. Hungersnot in Kuba. Man aß Steak – Grapefruitsteak. Alles in allem ist dies ein spannendes Sachbuch, das vergnüglich zu lesen ist – auch wenn der Text manchmal im Halse stecken bleibt. Historisches und Kritisches vom Witold Szabłowski eingestreut, interessante Lebensläufe der Köch:innen und deren sehr persönliche Sicht zum Zeitgeschehen und ihren ehemaligen Arbeitgebern. Kulinarisches mal auf ganz andere Art. Empfehlung! 



Witold Szabłowski, geboren 1980, ist ein polnischer Journalist. Mit 24 Jahren arbeitete er als Koch in Kopenhagen und wurde mit 25 Jahren der jüngste Reporter bei einer der größten polnischen Tageszeitungen, wo er über internationale Themen schrieb. Für seine Reportagen wurde er u. a. mit dem Journalistenpreis des Europäischen Parlaments, dem Ryszard-Kapuscinski-Preis und dem englischen PEN-Preis ausgezeichnet, außerdem wurde er für den Nike-Preis nominiert, Polens renommiertesten Literaturpreis. Witold Szabłowski lebt in Warschau.

Cover des Buches Wie man einen Diktator satt bekommt (ISBN: 9783948923280)
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Rezension zu "Wie man einen Diktator satt bekommt" von Witold Szabłowski

Aus-Liebe-zum-Lesen
Interessant

Der Katapult-Verlag hat im vergangenen Herbst erstmals auch Bücher von externen Autoren veröffentlicht. Eines davon hat mir das Christkind geschenkt: „Wie man einen Diktator satt bekommt“ von Witold Szabłowski.

Der polnische Journalist hat sich 4 Jahre lang auf die Suche nach den Köchen von Saddam Hussein, Idi Amin, Enver Hoxha, Fidel Castro und Pol Pot gemacht. Mit Hilfe von diversen Guides hat er die Köch*innen ausfindig gemacht und mehr oder weniger einfach zum Reden gebracht.

Das was er da zusammengetragen hat, kann sich sehen – oder besser – lesen lassen! Dass es sich um kein Rezeptbuch handelt, sollte klar sein. Viel mehr als um das Essen an sich, geht es um die Art und Weise, wie die Machthaber mit ihren Bediensteten umgingen und wie die Kommunikation innerhalb des engsten Kreises ablief, wie der Alltag war. Auch eine grobe Zusammenfassung der geschichtlichen Zusammenhänge und Gräueltaten gibt es zu jedem Diktator.

Es war sehr spannend zu lesen, wie ergeben manch einer der Interviewten seinem ehemaligen Arbeitgeber gegenüber war und noch ist, aber auch wie viel Angst sie teilweise selbst nach dessen Tod noch haben. Überhaupt war der Einblick in die Machtgefüge der Diktatoren sehr interessant. Außer mit Castro hatte ich mich bislang noch mit keinem näher befasst. Aber auch die kulinarischen Unterschiede der einzelnen Länder und die Ernährungsgewohnheiten, die sich sehr unterscheiden, finden durchaus ihren Platz in diesem Buch.

Ein konkretes Geheimrezept sucht man vergeblich – das nehmen die Köche standesgemäß mit in ihr Grab. Die ein oder andere grobe Zubereitung eines traditionellen Rezepts wird aber schon verraten, sodass man sich einen Eindruck von den Kochweisen machen kann.

Witold Szabłowski hat einen wahren Leckerbissen in geschichtlicher Bildung kreiert, der sich gut lesen lässt und einen etwas anderen Zugang zu wichtigen politischen Machthabern schafft, indem er sie aus dem inneren Kreis heraus betrachtet.

Cover des Buches Der Aufstand von Treblinka (ISBN: 9783492070294)
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Rezension zu "Der Aufstand von Treblinka" von Michał Wójcik

Bellis-Perennis
Vom unbedingten Willen zu überleben ...

er polnische Journalist Michał Wójcik erzählt vom Aufstand der jüdischen Häftlinge im deutschen Vernichtungslager Treblinka im August 1943.  

Dieser Lager, rund 80 km nördlich von Warschau gelegen, ist von Beginn an als reines Vernichtungslager angelegt - ca. 900.000 Menschen werden hier unter dem Code „Aktion Reinhardt“ umgebracht. Selbst für die arbeitsfähigen Deportierten gibt es nur eine kurze Überlebensphase. Sie wurden lediglich für die Sortierarbeiten von geraubten jüdischen Vermögen, wie schon ihre Bezeichnung „Goldjuden“, „Schuhjuden“ oder Kleiderjuden beweist, benötigt. Keiner konnte sich sicher sein, bei der Ankunft des nächsten Zuges nicht selbst in die Gaskammer geschickt zu werden - jeder ist leicht ersetzbar. 

Die Augenzeugenberichte der wenigen Überlebenden berichten von besonders grauenvollen Erlebnissen. So sind die Knochen der Ermordeten zu feinem Knochenmehl zermahlen und gemeinsam mit Zement als Straßenbelag verwendet worden. Das klingt einfach so grausam, dass man es kaum glauben kann. Diese und ähnliche Ereignisse sind vermutlich auch daran schuld, dass die Engländer, die von den Gräueltaten gewusst haben, diese nicht glauben konnten. 

Um dieser Vorhölle zu entkommen haben mehrere Ausbruchsversuche stattgefunden, die alle schon im Anfangsstadium gescheitert sind. Denn ohne Hilfe von außen, von der Bevölkerung der umliegenden Gehöfte ist ein Gelingen nicht möglich. Zudem wissen die Drahtzieher nie, ob sich unter den Verschwörern nicht doch ein Spitzel ist, der für einen Teller Suppe das Vorhaben verraten würde. Im August 1943 ist es dann soweit: Eine kleine Gruppe Entschlossener, teils mit militärischer Ausbildung aus dem Großen Krieg, haben kleinweise Waffen aus den Depots beiseitegeschafft und wagen den Aufstand. Und der gelingt! Rund 250 der 800 Lagerinsassen schaffen es, zu entkommen. Vieles ist improvisiert. 

Doch damit ist ihre Flucht noch nicht zu Ende, denn einige polnische Partisanengruppen machen ebenso Jagd auf die Juden wie die Nazi-Schergen selbst. Hier widerspricht der Autor dem tradierten Geschichtswissen seiner Landsleute, die sich „ihren“ Anteil am Gelingen des Aufstandes in Treblinka auf ihre Fahnen heften. 

Es stellt sich die Frage, warum nicht mehr aus dem Lager geflohen sind. Der Autor begründet das nicht nur mit der allgemeinen körperlichen Schwäche, sondern auch damit, dass nur ganz wenige in den Aufstand eingeweiht waren. Taktisches Geschick, das für eine solche beinahe militärisch anmutende Operation nötig ist, hat man den Juden ja seit Jahrzehnten abgesprochen. Die meisten sind gar nicht in der mentalen Lage, die Möglichkeit zu erfassen. Sie sind geknechtet, demoralisiert und nehmen sich selbst (fast) nicht mehr als Menschen wahr, sondern nur als dem Tod geweihte Masse. 

Obwohl ich schon viele Bücher über die Shoa gelesen habe, war mir dieser Aufstand nicht bekannt. Es scheint, als würden es nicht einmal die Historiker so genau wissen (wollen). Ob dies an der Rolle der polnischen Partisanen und der nachfolgenden Politik der Warschauer Pakt-Staaten liegt?  

Michał Wójcik hat jenen rund 100 Insassen, die Treblinka überlebt haben, nachgespürt. Einige von ihnen, wie Chil Rajchman oder Samuel Willenberg haben Erinnerungen hinterlassen, die Grundlage für dieses Buch sind. Allerdings lässt sich der Aufstand mangels weiterer, anderer Quellen nicht mehr rekonstruieren. Vielleicht gibt es noch Dokumente oder Berichte, die (noch?) tief in unzugänglichen Archiven schlummern. Und das ist gleichzeitig auch die Schwäche dieses Buches: Der Autor hat ausschließlich polnische Quellen benutzt, die im Anhang (samt deutscher Übersetzung) genannt sind 

Das wundert mich ein wenig, denn die Ergebnisse der neueren (deutschen) Forschung sowie Gerichtsakte sollten eigentlich zur Verfügung stehen.  

Dennoch gebe ich diesem Buch volle 5 Sterne, denn Michał Wójcik hat den Menschen, die im August 1943 alles riskierten, ein Denkmal gesetzt.

 

 

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