Cover des Buches Begrabt mich hinter der Fußleiste (ISBN: 9783888974649)
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Rezension zu Begrabt mich hinter der Fußleiste von Pawel Sanajew

Rezension zu "Begrabt mich hinter der Fußleiste" von Pawel Sanajew

von Liisa vor 17 Jahren

Rezension

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Liisavor 17 Jahren
Ein mir bisher unbekannter russischer Schriftsteller und ein ungewöhnlicher Titel, das hat mich natürlich gleich angefixt. Und der Debütroman von Pawel Sanajew packt einen beim Lesen mehr und mehr. Die Geschichte ist tragisch-komisch, mehr als einmal bleibt einem das Lachen aber auch im Halse stecken. Der kleine Sascha erzählt von seiner Kindheit, die er hauptsächlich bei den Großeltern verbringt. Wer nun schon einmal die Bekanntschaft einer russischen Großmutter gemacht hat, wird einerseits bekannte Züge wiederentdecken andererseits aber ist Saschas Oma ganz anders. Im steten Kampf gegen die Unbillen des Alltags, unglücklich über den Verlauf ihres eigenen Lebens, voller Sorgen um den Enkel, den sie großzieht und einem Hass auf ihre Tochter, Saschas Mutter, ergibt sich daraus eine Mischung, die es in sich hat. Sascha versucht verzweifelt die Großmutter nicht zu verärgern - was einem Jungen in seinem Alter gar nicht gelingen kann - und seine Loyalität zu ihr unter Beweis zu stellen ohne dabei seine Loyalität gegenüber seiner Mutter zu verraten - ein fast hoffnungsloses Unterfangen. Dazwischen der Großvater, der im Grunde nicht viel zu melden hat und seine Frau eher still erleidet. Sascha darf alles mögliche nicht, weil es seinem von Krankheiten und Allergien zerrütteten Körper schaden könnte - behauptet zumindest die Großmutter -, wird einerseits behandelt wie ein rohes Ei andererseits sind freundliche Worte ihm gegenüber eher die Ausnahme. Viel öfter muss er sich die Flüche und düsteren Prophezeiungen der Großmutter über den weiteren Verlauf seines »armseligen« Lebens anhören oder bekommt auf grobe Art Großmutters Lebensweisheiten vermittelt, die ihm das Leben kurz darauf zu bestätigen scheint. Als er z.B. zum Abschluss einer Kinderkur etwas Zuckerwatte isst, und daraufhin prompt mit seinen Kameraden von der Kurärztin mit einem Einlauf zur Vermeidung eines Darmverschlusses traktiert wird. heißt es: "Während ich keuchend vor Schmerz, auf dem kalten Wachstuch der Behandlungsliege lag und das Gefühl hatte, das in mich einlaufende Wasser würde mich im nächsten Augenblick zerreißen, dachte ich an Großmutter, wie recht sie hatte, wenn sie sagte: ›Du willst wie die anderen sein? Und wenn die anderen nun anfangen sich einer nach dem anderen aufzuhängen?‹ Meine Zugehörigkeit zu den anderen war mich teuer zu stehen gekommen." Der Konflikt zwischen Großmutter und Mutter spitzt sich gegen Ende des Romans dramatisch zu und Sascha findet sich in der Mitte dieser Zerreißprobe wieder, bis sich schließlich alles doch noch auflöst - wenn auch nicht ganz in Friede Freude, Eierkuchen. Sascha aber auch seine Großmutter sind literarische Figuren, die ich sicher so schnell nicht vergessen werde - zumal ich weiß, dass sie keine reine Erfindung sind, sondern für viele stehen, die in ähnlichen Verhältnissen und unter ähnlichen Umständen leben. Saschas Gründe für seinen Wunsch hinter der Fußleiste begraben zu werden kann ich sehr nachvollziehen und betrachte die Fußleisten um mich herum nun mit anderen Augen. ;o)
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