Der Roman „Die gute Erde“ von Pearl S. Buck, erschienen 1931, zählt zu den Klassikern der Weltliteratur. Darin erzählt wird das Schicksal zweier Familien auf dem chinesischen Lande: über den sozialen Abstieg der reichen Stadtfamilie Hwang und den Aufstieg Wang Lungs, der sich vom kleinen Bauern zum mächtigen, gutmütigen und gerechten Großgrundbesitzer hochgearbeitet.
Der guten Erde hast du es zu danken, dass du etwas Besseres bist als ein Bauernbursche.
Meine persönlichen Leseeindrücke
Für „Die gute Erde“ erhielt Pearl S. Buck 1932 den Pulizer Preis und wurde 1938 von der Schwedischen Akademie bis heute als einzige Amerikanerin mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
Wang Lung, die Hauptromanfigur, ist ein tapferer Bauer, der nicht über sehr viel verfügt, aber er ist gesund und kräftig und kennt ein paar traditionelle Anbaumethoden. Mit einem unbändigen Wille ausgestattet, sein Schicksal als Herausforderung zu begreifen und es als solches anzugehen, wird er sich von einem einfachen Bauern, der weder lesen noch schreiben kann, zu einem Großgrundbesitzer mausern. Pearl S. Buck, die in China aufgewachsen ist, kennt die Nöten und Sorgen der Landbevölkerung, weiß wie der Bauernstand und die reichen Familien in den Städten lebten, und kann von Hunger, Schicksalsschlägen aber auch glücklichen Momenten erzählen. Das lese ich gerne und entspannt interessiert, doch auf den großen Wow-Moment warte ich vergeblich.
Die Romanfiguren sind alle gefällig und glaubhaft dargestellt, Familienkonstellationen, -traditionen und -dynamiken, in ein chinesisches Gewand gewickelt. Ähnliches kennen wir auch in Europa und den USA. Neu war hier wohl der direkte Einblick in die fernöstliche Kultur des einfachen Bauernstandes, die im Westen noch wenig bekannt war. Wenn ich mir eine Lieblingsromanfigur aussuchen sollte, dann wäre dies O-Lan. Sie ist eine Frau, die sich ihrem Schicksal vollkommen ergeben hat, und dennoch verbirgt sich in ihr so viel mehr. Ohne sie wäre der Aufstieg Wang Lungs niemals möglich gewesen, dennoch blieb ihr das einzige verwehrt, dass sie sich vielleicht wirklich gewünscht hätte, nämlich die Zuneigung ihres Mannes. Sie hat mich sehr berühren können, ich habe mich innerlich gegen die Sitten aufgebäumt, die in ihrer ruhigen fast achtlosen Brutalität die Frauenrolle demütigt und diskreditiert.
Es ist viel vom Schicksal zu lesen, das sich in vielen Formen zeigt: an erster Stelle steht die gute Erde, die nicht immer gut ist und alle 5 – 7 Jahre die Menschen in den Hungertod treibt, da ist der Getreidehändler, dessen Zeichen er nicht lesen kann und auf dessen Verträge er seine Unterschrift nicht setzen kann und deshalb seinen Söhnen eine schulische Bildung zukommen lässt, da steht Bauer Wang Lung eine Frau bedingungslos und ehrfürchtig zur Seite, die ihm Söhne schenkt und mit ihrem wirtschaftlichen Geschick maßgeblich an seinem Erfolg beteiligt ist und da sind vor allem seine Söhne, an die er die Bauerntradition nicht weitergibt, sondern sie zu Gelehrten heranziehen lässt, und die bald körperliche Arbeit scheuen lernen.
Die Kritik, dass der Roman „Die gute Erde“ wenig literarisch sei (William Faulkner), kann ich nicht teilen, dennoch ist er aus meiner heutigen Sicht nicht der große literarische Wurf. Er ist packend geschrieben, bietet einen für damalige Zeiten faszinierenden Blick auf das unbekannte Leben der chinesischen Landbevölkerung und die chinesische Gesellschaftsstrukturen. Und diese ist für unser heutiges Verständnis schwer zu ertragen. Am meisten hadere ich mit der gesellschaftlichen Stellung der Frau, mit der Selbstverständlichkeit, mit der die Frau als Gegenstand betrachtet, schon als Kind gekauft, verkauft, zur Prostitution gezwungen oder versklavt wird, ganz nach dem Belieben der männlichen Familienoberhäupter.
Da fiel ihm der neue Esser ein, der heute ins Haus gekommen war, und es bedrückte ihn schwer, dann nun die Zeit der Töchter gekommen war, der Geschöpfe, die nicht ihren Eltern gehören, sondern für andere Familien geboren und großgezogen werden.
Tapfer meistert Wang Lung seine Herausforderung. Mit weit über 60 Jahren gilt er in der Stadt nicht mehr als ein Bauer, sondern als ein Grundbesitzer. Doch am Ende seines Lebens blickt er nicht als glücklicher Mann in die letzten ihm verbleibenden Tage auf Erden. Es zieht ihn wieder zurück an den Ort, an dem er geboren wurde und aufwuchs, seine ersten Tage als Bauer verbrachte, seine Frau heimführte und seine Kinder geboren wurden. Seine Söhne, die in den feinen Gewändern das müßige Leben der Gelehrten führen, verlieren jeden Bezug zur guten Erde, auf deren Ertrag sich ihr Reichtum gründet.
Und von diesem Tage an wurden die Knaben nicht mehr „Der Ältere“ und „Der Jüngere“ genannt, sondern der Lehrer gab ihnen richtige Namen. Und zwar nannte er, nachdem er sich nach dem Beruf des Vaters erkundigt hatte, den älteren Nung En und den jüngeren nannte er Nung Wen, und das erste Wort bieder Namen bedeutete: „Einer, dessen Wohlstand von der Erde kommt.“
Warum Wang Lung dieses Wissen und diese Bindung schlussendlich nicht vermittelt hat, bleibt mir verborgen. Es werden die weiteren Romane der Trilogie zu erzählen wissen, wie es mit dem Schicksal der Großgrundbesitzerfamilie weitergeht.
Fazit
Der Roman „Die gute Erde“ von Pearl S. Buck erzählt vom gesellschaftlichen Aufstieg des kleinen Bauern Wang Lung auf dem Lande zum Großgrundbesitzer in der Stadt, und ist der 1. Teil eines packend geschriebenen Familienepos „Haus der Erde“.
Wenn die Götter sich einmal von einem Menschen abgewendet haben, so ist es, als ob sie ihm nie wieder die Gnade zuwenden wollen.