Dieses schmale Buch voller Wucht erzählt eine queere Geschichte aus dem Chile der Pinochet Diktatur, zur Zeit des Attentats 1986. Es ist vor allem ein Buch über den Widerstand mit einer zusätzlichen Liebesgeschichte aus der LGBTQIA+ Szene, der der Autor selbst angehörte. Daher gilt der Roman auch als der bekannteste queere Liebesroman Südamerikas. Im Nachhinein betrachtet sehe ich allerdings den Widerstand gegen Pinochet als zentrales Thema, satirisch-grotesk dargestellt . Zentrale Figur ist eine "Tunte von der Front" (die sich selbst so nennt), auf Spanisch heißt sie wohl "La Loca del Frente". Auf jeden Fall wohl eine Anspielung auf die Frente Patriotico Manuel Rodriguez, die damals das (nicht geglückte) Attentat verübte. Im überaus plüschig ausgestatteten Haus der Tunte finden diverse Kisten unbemerkt Unterschlupf, versteckt unter Tüchern, Vorhängen und Decken und als Tisch, Regal oder Schrank getarnt. Diese angeblichen "Bücherkisten" bringt Carlos vorbei, ein junger Student, in den sich die Tunte unsterblich verliebt hat, obwohl sie natürlich weiß, dass ihre Liebe nicht erwidert werden wird. Auf dem Dachboden finden regelmäßig Treffen statt. Die Tunte gibt sich zunächst ahnungslos, wird jedoch mit der Zeit immer kritischer und selbst subversiver. Eigentlich will sie aber einfach nur glücklich sein....
Ein zweiter Handlungsstrang beschäftigt sich mit Pinochet und seiner herrlich überzogen dargestellten Ehefrau. Das ist schon Groteske at its Best. Überhaupt, die Sprache des Buches: Schrill, bunt, bildhaft, viele Wortschöpfungen, viele Adjektive. Gar nicht so einfach zu lesen. Aber doch irgendwie kurzweilig. Es muss eine riesige Herausforderung gewesen sein, dieses Buch zu übersetzen! Vieles ist übrigens sehr explizit, für Menschen, die keine Se*szenen lesen möchten, eher nicht geeignet.
Ich persönlich fand es recht anstrengend, mich durch die vielen Sätze mit den vielen Adjektiven zu lesen. Trotzdem möchte ich die Lektüre empfehlen. Denn mich hat sie zum einen dazu gebracht, mehr über die Geschichte Chiles zu lesen und zum anderen hatte ich das Glück, das Buch in einem Lesekreis besprechen zu dürfen, an dem auch ein gebürtiger Chilene teil nimmt. Das gab noch einmal mehr Einblicke, mehr Diskussionsstoff und irgendwann landeten wir dann bei Diktaturen allgemein, bei den Auswirkungen solcher restriktiver Systeme auf die nachfolgenden Generationen und dann bei Hitler-Deutschland, bei der ehemaligen DDR und anschließend bei der AFD. Auch wer nicht so weit diskutieren will: Interessant ist die Lektüre dieses sehr außergewöhnlichen Romans auf jeden Fall!