Rezension zu "Bevor der letzte Zug fährt" von Penelope Mortimer
📌 "Irgendwo hatte sie gelesen, dass vor langer Zeit die Leute gedacht hatten, der Zweck des Gehirns wäre es, kalte Dampfschwaden zum Herzen zu schicken, um dessen Erregung zu kühlen." (S. 37)
Ruth Whiting, 37, Ehefrau eines Zahnarztes hat sich mit ihrem Leben abgefunden.
Ehemann Rex ist nur am Wochenende daheim, die beiden Söhne sind im Internat untergebracht und die 18-jährige Tochter Angela studiert in Oxford, wohnt aber noch daheim - das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter ist wechselhaft, teilweise distanziert und beschränkt sich im Grunde auf das Nötigste.
Nach außen wird wohlgemerkt die perfekte Familie repräsentiert, dabei sind weder Rex noch Ruth in ihrer Ehe glücklich.
Rex ist dominant und herrisch und lässt keine Gelegenheit aus Ruth blosszustellen und zu bevormunden. Zudem unterhält er unter der Woche in London eine Affäre.
Eigentlich hat Ruth ihn mit 19 nur geehelicht, weil sie ungewollt mit Angela schwanger war und es zu dieser Zeit keine andere Lösung für sie und dieses "Problem" gab.
Auf Druck der Eltern und um das Ansehen in der Gesellschaft zu wahren, musste eben geheiratet werden.
Nun hat sich Angela in die gleiche Lage gebracht, wie einst ihre Mutter und ist ungewollt schwanger von Tony.
"Notgedrungen" wendet sie sich hilfesuchend an ihre Mutter Ruth.
Mutter und Tochter entscheiden, dass eine Abtreibung die beste Lösung ist, doch 1958 war eine Abtreibung illegal, sowie kostspielig, weshalb es nicht so einfach für sie ist, ist diesen Plan auszuführen.
Penelope Mortimer schildert in ihrem Roman vom Leben und den Problemen der Frauen in den 50ern, wobei hier nicht nur das Thema der Abtreibung zum tragen kommt.
Die Männer geben den Ton an, sowohl in der Gesellschaft, als auch in den eigenen vier Wänden.
Frauen haben zu funktionieren und ein perfektes Aushängeschild zu sein. Häuslich und stets nett anzusehen. Probleme unerwünscht.
Um ihrer Tochter zu helfen und um ihr ein ähnliches Schicksal, wie ihr eigenes zu ersparen, wächst die unterdrückte Ruth über sich hinaus.
Sie beginnt ihrem Mann Kontra zu bieten und Dinge zu verheimlichen, dafür bessert sich langfristig ihr Verhältnis zu Angela, welche bis zuletzt glücklich mit ihrer getroffenen Entscheidung ist.
Die Story hat mir gut gefallen, ließ sich gut lesen und die Thematik ist im Grunde auch heute noch aktuell.