Cover des Buches Paris Trout (ISBN: 9783935890540)
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Rezension zu Paris Trout von Pete Dexter

Rezension zu "Paris Trout" von Pete Dexter

von Wolkenatlas vor 16 Jahren

Rezension

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Wolkenatlasvor 16 Jahren
Parabel gegen den Rassismus als Gift der Menschheit Cotton Point, eine Kleinstadt in Georgia, in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Eine Kleinstadt, in der ein Mann nicht zu umgehen ist, Paris Trout. Ein Mann, der sich selbst das Gesetz ist. Er verleiht Geld, verkauft verschiedenste Waren (auch Munition) und verkauft auch Autos inklusive Versicherung (die aber "nicht so eine ist"- also nicht für Reparaturen zuständig ist). Der Roman beginnt mit Rosie Sayers erster Begegnung mit Paris Trout, als sie Munition für einen Besucher ihrer Mutter kauft. Auf dem Heimweg wird das 14-jährige Mädchen von einem Fuchs gebissen. Da dies (in Kombination mit weiteren fadenscheinigen Gründen) für die Mutter der Beweis ist, das ihre Tochter vom Teufel besessen ist, "gibt" sie ihre Tochter dem in weiterer Folge unwichtigen Besucher mit. So kommt Rosie in die Obhut von Mary McNutt. Henry Ray, Marys älterer Sohn, kauft auf Kredit ein Auto von Paris Trout, das sich bei einem Auffahrunfall als eine Rostlaube, nur notdürftig mit Farbe übermalt entpuppt. Durch den daraus resultierenden Zahlungsunwillen von Henry Day in Rage gebracht, fährt Paris Trout mit einem Angestellten zum Haus von Mary McNutt und erschiesst in einer tranceähnlichen Wut die kleine Rosie und verwundet Mary McNutt. Eine Tat, für die sich Paris Trout nicht schämt (besonders, weil Rosie eine Färbige ist), für die er keine Reue zeigt, eine Tat, zu der er sich berechtigt gefühlt hat, da er sich quasi allmächtig sieht. Dieses Ereignis ist also der Ausgangspunkt für diesen großartigen Roman von 1987 (für den er 1988 den National Book Award erhielt), der jetzt wieder in deutscher Sprache vorliegt (er erschein Anfang der neuziger Jahre bei Goldmann unter dem Titel "Tollwütig" und war ewig lange vergriffen). Pete Dexter lässt die Protagonisten seines Romans kapitelweise das Narrativ führen. Der erfahrene Anwalt Harry Seagraves vertritt Paris Trout bei seiner Verhandlung, während der junge Anwalt Carl Bonner Paris Trouts Ehefrau Hannah bei ihrer Scheidungsklage vertritt. Hannah ist die einzige Person in Cotton Point, die bereit ist, sich gegen Paris Trout zu erheben, auch wenn sie dafür zuerst bitter bezahlen muss. Die "Anderen" erkennen dagegen fast willenlos seine Vorrechtstellung an (einfach, weil es ihnen leichter fällt, sich nicht gegen Paris Trout zu erheben). Aus diesem Spannungsfeld entwickelt Pete Dexter einen spannenden und tiefgehenden Roman, der den Rassismus anprangert, der die Willenlosigkeit einer ganzen Kleinstadt ad absurdum führt, eine Gemütlichkeit der Einwohner, die sich zu ihren Festivitäten rächt. Pete Dexter spinnt zusätzlich noch einen symbolischen roten Faden durch das Buch, Gift, das immer wieder, in verschiedensten Formen auftaucht, vom Biss des Fuchses zu Beginn, als einzige Substanz, vor der Paris Trout Respekt zeigt, bis zur Vergiftung der Moral der Stadt. Ein großartiger Roman, ein beeindruckender Gesellschafts- und Sittenroman, ein Plädoyer gegen Rassismus und das opportunistische Wegsehen; zusätzlich noch einfach wirklich spannend erzählt. Fesselnde Figurenzeichnung, großartige sekundäre Erzählstränge, eine wunderbar subtile Erotik in den beiden Liebesgeschichten, eine absolute Leseempfehlung. Große Literatur.
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