Rezension zu "Der symbiotische Planet oder Wie die Evolution wirklich verlief" von Lynn Margulis
Spätestens auf Seite 142 wird jedem klar werden, wie die Autorin dieses Buches zu Pilzen, Algen oder Bakterien steht – denn hier taucht das Wort „Chlamydospore“ auf. Dieses Wort wird von der Autorin als ein hübscher Name für einen Pilz bezeichnet und lässt somit keine Zweifel mehr offen: die Autorin ist den auf den Seiten davor beschriebenen Lebensformen verfallen.
Diese Leidenschaft kommt aber auch nicht von irgendwo – bereits in ihren ersten Forscherjahren musste sich Lynn Margulis gegen die von Darwin aufgestellte und allseits bekannte Evolutionstheorie wehren und durchsetzen. Und es ist auch kaum verwunderlich, ist diese Welt in der die Autorin forscht doch eher als das Gegenteil von dem bekannt, was wir als „höheres Leben“ bezeichnen. Bakterien werden fast immer als Krankheitserreger und somit als Feinde betrachtet – und genau diese Lebewesen sollen unserer Vorfahren sein?
„Ich behaupte: Wir Menschen sind, wie alle anderen Affen, nicht das Werk Gottes, sondern das Ergebnis der Milliarden Jahre währenden Wechselwirkungen zwischen höchst reaktionsfähigen Mikroben. Dies klingt für manche Menschen höchst beunruhigend.“
Dass diese Frau sich mit ihren Thesen in einem höchst konservativen Amerika dennoch durchsetzen konnte, lässt die Forschungsarbeit und deren Ergebnisse der Autorin umso bemerkenswerter wirken.
In ihrem Buch beschreibt sie ihre ersten Beweggründe in diesem Fach tätig zu werden, ihren Werdegang und die Theorie der Vereinigung/Verschmelzung von Zellen der sogenannten „seriellen Endosymbiose“ (SET).
Durch Louis Pasteur, dem es gelang, Bakterien aus unseren Lebensmitteln zu entfernen, wurden diese aber zu Krankheitserregern abgestempelt und der Ausrottung preisgegeben. Mehr als hundert Jahre später bestreitet (in Europa) kaum jemand, dass Bakterien auch nützlich sind und dieses Buch geht noch einen Schritt weiter.
Die Symbiose als Auslöser der Menschheit – Symbiose und nicht Zellteilung als Grundprinzip des Lebens und Symbiose zur Aufrechterhaltung unserer, von einem Geflecht von Ökosystemen umspannten Erde. Diese Prinzipien erläutert Die Autorin auf 170 Seiten.
Anfangs mag es für den Laien unüberschaubar und verängstigend wirken, wenn von Protoctisten, Ciliaten und Amöben die Rede ist, jedoch schafft es die Forscherin auf den knappen Seiten die Begrifflichkeiten so zu umschreiben und immer wieder in Zusammenhänge zu bringen, dass man am Ende beinahe glaubt, man wisse genau wovon die Rede ist. Und die Autorin schafft es auch, ihr Konzept der Evolution verständlich zu erklären und stets mit wissenschaftlichen Argumenten zu untermauern. Keinesfalls wird Darwins Lehre von der Evolutionstheorie in Frage gestellt – die Theorie des symbiotischen Planeten stellt den Darwinisten hier ein zusätzliches Werkzeug zur Verfügung, um gewisse Vorgänge noch besser verstehen zu können.
Selbst wenn es dem Leser nicht gelingen sollte, das gesamte Ausmaß von Lynn Margulis Idee aus diesem Werk zu verstehen – eines wird jedem mit Sicherheit bewusst: Kleinstlebewesen sind mehr als Schleim in einer Pfütze oder Schaum am Rande eines Baches – diese Bakterien, Protoctisten und Pilze, sind der Stoff aus dem wir alle sind…