Peter Clarke

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Cover des Buches Mr Churchill's Profession: Statesman, Orator, Writer (ISBN: 9781408818879)
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Rezension zu "Mr Churchill's Profession: Statesman, Orator, Writer" von Peter Clarke

Andreas_Oberender
Winston Churchill - Staatsmann und Schriftsteller

Winston Churchills lange, ereignisreiche und wechselvolle Karriere als Politiker lässt leicht vergessen, dass Churchill Zeit seines Lebens auch ein überaus produktiver Autor war. Die Gesamtausgabe seiner Werke - Bücher, Reden, Artikel - umfasst nicht weniger als 34 Bände. Im Jahr 1953 erhielt Churchill den Nobelpreis für Literatur. Doch von wenigen Ausnahmen abgesehen sind alle seine Werke in Vergessenheit geraten. Der Autor Churchill wird seit langem vom Staatsmann Churchill überschattet. Mit seinem Buch ruft der britische Historiker Peter Clarke in Erinnerung, dass Churchill für mehr als 50 Jahre zwei parallele Karrieren verfolgte, eine politische und eine schriftstellerische. Selbst als er Ministerposten bekleidete, nahm das Schreiben einen Großteil seiner Zeit in Anspruch. Clarke betont, dass Churchill nicht aus Spaß an der Freude oder zum bloßen Zeitvertreib schrieb, sondern weil er zwingend auf die Vorschüsse und Honorare angewiesen war, die seine britischen und amerikanischen Verlage ihm zahlten. Churchill war von Haus aus nicht vermögend. Ähnlich wie seine Eltern lebte er weit über seine Verhältnisse. Die Gehälter, die er als junger Kavallerie-Offizier und später als Minister bezog, reichten nicht aus, um den aufwändigen Lebensstil zu finanzieren, den Churchill pflegte. Clarke bietet faszinierende Einblicke in die Extravaganzen, die Churchill sich leistete. Alljährlich gab er ein kleines Vermögen für Wein, Spirituosen und Champagner aus. Der 1922 gekaufte Landsitz Chartwell erwies sich als Fass ohne Boden; Modernisierung und Unterhalt des Anwesens verschlangen Unsummen. Churchill hatte keine andere Wahl, als sein Ministergehalt durch Nebeneinkünfte aufzubessern. Von 1929 bis 1939, als er kein politisches Amt innehatte, waren die Honorare für Bücher, Vorträge und Artikel sogar seine einzige Einnahmequelle. Man kann nur darüber staunen, dass Churchill in diesem Jahrzehnt als Autor genug Geld verdiente, um nicht nur sich und seine Familie zu versorgen, sondern auch das Dienstpersonal in Chartwell und den Stab von Sekretärinnen und Assistenten zu entlohnen, der ihm zuarbeitete. Allerdings betrieb Churchill seine Schriftstellerei unter sehr günstigen Bedingungen. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war er so prominent, dass er keine Probleme hatte, für seine Bücher Verleger und Käufer zu finden. Schon relativ früh konnte sich Churchill sicher sein, dass keines seiner Bücher ein Misserfolg werden würde.

In Churchills Nachlass bzw. Privatarchiv hat Clarke eine Vielzahl von Dokumenten gefunden, die wichtige Aspekte von Churchills schriftstellerischer Tätigkeit beleuchten: Verhandlungen mit Verlagen beiderseits des Atlantiks; Vorschuss- und Honorarzahlungen; die Arbeit an großen Buchprojekten mit einem Stab von Assistenten. Churchill war ein Autor, der zu epischer Breite und ungezügelter Weitschweifigkeit neigte. Seine Hauptwerke sind allesamt mehrbändig: Die Memoiren über den Ersten und Zweiten Weltkrieg; die Biographie seines Ahnherrn John Churchill, Herzog von Marlborough (1650-1722); die "History of the English-Speaking Peoples". Diese Projekte konnte Churchill nur bewältigen, weil ihm ein Team von Assistenten zur Seite stand. Erstmals griff Churchill in den 1920er Jahren auf einen Assistenten zurück, als er seine fünfbändigen Memoiren über den Ersten Weltkrieg schrieb. Clarke untersucht Churchills gesamte schriftstellerische Karriere. Schon mit Mitte 20 hatte Churchill mehrere Bücher über seine Erlebnisse als Offizier und Kriegsberichterstatter in Indien und Afrika veröffentlicht. Mit seiner Publikationstätigkeit verfolgte der junge Churchill zwei Ziele: Zum einen wollte er sich einen Namen machen und die Weichen für eine politische Karriere stellen; zum anderen wollte er seine bescheidenen Mittel durch Nebeneinkünfte aufbessern. Beides gelang ihm bravourös. Auch nach seinem Aufstieg zum Minister (1908) legte er die Feder nicht aus der Hand. Er verstand sich als professioneller Autor, nicht als Amateur- oder Gelegenheitsschriftsteller. Clarke behandelt alle wichtigen Buchprojekte, an denen Churchill im Laufe seines Lebens arbeitete, darunter auch die Biographie seines Vaters Randolph Churchill (1906). Um möglichst hohe Einnahmen zu erzielen, schrieb Churchill seine Bücher so, dass sie für ein großes Publikum geeignet waren. Auch hatte er stets den lukrativen amerikanischen Markt im Blick. Churchills staunenswerte Produktivität und eiserne Arbeitsdisziplin verdienen Bewunderung, ebenso die Chuzpe, mit der er seinen Verlegern stattliche Vorschüsse abrang. Bei den nach 1945 veröffentlichten Werken muss man in Rechnung stellen, dass sie sich quasi von selbst verkauften. Der Autor Churchill profitierte enorm vom Nimbus des Staatsmannes Churchill. Schon in den 1920er und 1930er Jahren einer der bestbezahlten Schriftsteller seiner Zeit, erzielte Churchill in hohem Alter dank exorbitanter Vorschüsse und Honorare Einkünfte, die sich - auf die heutige Zeit umgerechnet - auf mehrere Millionen Pfund beliefen.

Die Entstehung zweier Werke beleuchtet Clarke eingehender. In den 1930er Jahren arbeitete Churchill parallel an der Marlborough-Biographie und an der "History of the English-Speaking Peoples". Nur die Marlborough-Biographie kann heute noch mit Gewinn gelesen werden. Das ist umso bemerkenswerter, als Churchill kein Geschichtsstudium absolviert hatte und kein professioneller Historiker war. Die fehlende Fachkompetenz machte er wett durch intensive Nutzung des Archivs der Familie Spencer-Churchill auf Schloss Blenheim. Die "History of the English-Speaking Peoples" wurde in den frühen 1930er Jahren konzipiert. Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges lag ein Rohmanuskript vor, das nach 1945 mehrfach von Historikern überarbeitet und schließlich von 1956 bis 1958 veröffentlicht wurde. Den Wert dieses letzten großen Werkes schätzt Clarke gering ein. Churchill war dem Geschichtsbild des 19. Jahrhunderts verhaftet, und seine "History of the English-Speaking Peoples" war in den 1950er Jahren methodisch und inhaltlich bereits hoffnungslos veraltet. Die Bearbeitung des Manuskripts durch Fachleute änderte daran nichts. Ganz im Sinne der sogenannten "Whig Interpretation of History" verstand Churchill die Geschichte der anglophonen Völker als Geschichte eines ruhmreichen Kampfes für Rechtsstaatlichkeit, Liberalismus und parlamentarische Demokratie. Der Zweite Weltkrieg bestärkte Churchill in der Überzeugung, es sei die historische Mission der angelsächsischen Völker, die Welt vor Tyrannei und Barbarei zu schützen. Churchills Bücher mögen heutigen Lesern nichts mehr zu sagen haben. Sie sind aber dennoch von Bedeutung, denn sie spiegeln Churchills Persönlichkeit wider, sein Denken und sein Geschichtsverständnis. Wer sich ernsthaft mit dem Menschen Churchill beschäftigt, der kann den Autor Churchill nicht ignorieren. Das Schreiben war eine der großen Leidenschaften in Churchills Leben, neben der Politik und der Malerei (die ein reines Hobby war und von Churchill niemals in kommerzieller Absicht betrieben wurde). Peter Clarkes Buch ist all jenen zu empfehlen, die sich nach der Lektüre einer konventionellen Churchill-Biographie näher mit dem Autor Churchill befassen wollen. Zu kritisieren gibt es an Clarkes Buch nur wenig: Es hätte nicht geschadet, wenn Clarke ausführlicher auf die zeitgenössische Rezeption von Churchills Büchern eingegangen wäre. Es ist viel von Verkaufszahlen und Honoraren die Rede, aber wenig davon, wie Presse und Öffentlichkeit Churchills Bücher aufnahmen. Ein grundsätzliches Problem des Buches besteht darin, dass Clarke über Werke schreibt, die heute kaum noch jemand kennt. Mehr Informationen zum Inhalt der behandelten Bücher wären daher hilfreich gewesen. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im März 2016 bei Amazon gepostet)

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