Von Hélène Cixous, der großen algerisch-französischen Schriftstellerin, Denkerin und Feministin ist endlich mal wieder ein Werk auf deutsch übersetzt worden. Und es lohnt sich: Eine Geschichte von einer vergangenen Liebe, die zwischen Illusion und Emotion schwankte und sich jahrelang allen Versuchen zur Niederschrift widersetzte, eine Geschichte von Geschwistern, die sich an Scheidepunkten des Lebensweges befinden und eine Geschichte über das Denken, das Erinnern, das Schreiben. Im Mittelpunkt steht die geheimnisvolle Liebe der ich-Erzählerin zu G. Vor über 30 Jahren ist sie diesem Mann verfallen, über den sie glaubte viel zu wissen, den sie glaubte zu verstehen. Ein Hotelzimmer in New Yorkist Schauplatz des harten Kerns der Erzählung. Eine Nacht, die sich in der Erinnerung der Erzählerin festgesetzt hat, und doch schafft sie es erst nach 30 Jahren und mehrmaligen vergeblichen versuchen, sich Schicht um Schicht näher an ihre Erinnerung heranzukämpfen und den Schmerz in buchform festzuhalten.
Cixous geht mit der ihr eigenen sprachlichen Sensibilität an das Geschehen heran und vollbringt dabei immer wieder das Kunststück, den Leser zu tiefem Mitdenken zu bringen. Doch der Weg bis dahin ist nicht ganz leicht, das sollte jeder künftige Cixous-Leser wissen. Die Themen und die Handlung werden nur langsam eingekreist, immer wieder wachsen gehaltvolle Refelexionen aus dem Handlungsfaden heraus. Gelegentlich ist es ein Labyrinth der Gedanken - doch wer sich darauf einlassen, kann, erlebt das, was nur Literatur kann: Ein Versinken in den Gedanken des Anderen, ein Nachfliegen, Einholen und Staunen, und ein Berührt werden von dezentesten Formulierungen. Und das kann spannender sein als jeder Krimi.
Cixous "Manhattan" ist Kopf- und Gefühlsarbeit von ihrer besten Seite.
Rezension zu "Manhattan" von Hélène Cixous