Rezension zu "Grafe: Tradition & Konfusion - SPD - Alle Macht den Profis" von Peter Grafe
Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl und der äußerst schlechten Prognosen für die SPD erinnerte ich mich an dieses Buch. Bereits 1991 erschienen, las der Autor Peter Grafe 'der alten Tante im Bonner Ollenhauer-Haus nach Strich und Faden die Leviten', wie es so schön in der damals in der ZEIT erschienenen Rezension hieß.
Grafe schildert treffsicher die Misere einer Partei, die schwer an ihrer Geschichte zu tragen hat und der es nur mit Mühen gelingt, daraus Vorteile zu schlagen. Die SPD hängt an ihren Traditionen, an ihrer Verbundenheit mit der Arbeiterklasse und den Gewerkschaften. Doch ist sie nicht in der Lage, deren schwindende Bedeutung in der Gesellschaft durch Mobilisierung neuer Wählerschichten zu kompensieren. Und so scheinen auch heute, mehr als 20 Jahre später, die Probleme noch immer die gleichen zu sein. Die Beschreibungen der unterschiedlichen Schwierigkeiten wie auch der allgemeinen politischen Situation wirken jetzt ebenfalls hochaktuell in Anbetracht der momentanen Verhältnisse. Einige Beispiele:
'Die Entwicklung neuer postmaterieller Bedürfnisse und zivilisatorischer Herausforderungen entziehen sich dem sozialpolitisch-kompensatorischen Politikmodell der SPD, dem von der Schwindsucht öffentlicher Haushalte längst enge Grenzen gezogen wurde.' (S. 40f)
'Der SPD fehlt also eine interne Streitkultur, die unterschiedliche Auffassungen in konstruktiven Bahnen ordnet.' (S. 89)
'Es ist Zweck der Politik, die Dynamik der gesellschaftlichen Entwicklung so zu steuern, dass die Gemeinschaft vor größeren Schäden bewahrt wird und jeder einzelne seine Entwicklungs- und Zukunftschancen hat.' (S. 102)
Tja, manchmal ändert sich weniger als man denkt...