Peter Hart

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Cover des Buches The Great War: 1914-1918 (ISBN: 9781846682476)

The Great War: 1914-1918

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Erschienen am 27.02.2014

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Cover des Buches The Great War: 1914-1918 (ISBN: 9781846682476)
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Rezension zu "The Great War: 1914-1918" von Peter Hart

Andreas_Oberender
Rein militärgeschichtliche Darstellung des Ersten Weltkrieges

Der hundertste Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges rückt unaufhaltsam näher. Geschichtswissenschaft und Verlage rüsten sich für das Jubiläum, sowohl in Deutschland als auch in den anderen Staaten, die in führender Rolle an der "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" beteiligt waren. In einigen Jahren wird man Bilanz ziehen können: Wie sieht eine Geschichte des Ersten Weltkrieges aus, die unserer Zeit und unseren heutigen Interessen entspricht? Wie kann man diesen Krieg angemessen darstellen, wie kann man seine Bedeutung einem Publikum historisch interessierter Laien vermitteln? Und welche Bücher, die im Umfeld des Jubiläums entstanden sind, werden von bleibendem Wert sein?

Der Autor des vorliegenden Buches, der britische Militärhistoriker Peter Hart, ist ein Experte für die Geschichte des Ersten Weltkrieges. Seinem Schriftenverzeichnis zufolge hat er bisher ausschließlich zu diesem Thema publiziert. Anscheinend gehört er zu jenen Historikern, die ihr Leben lang ein einziges Forschungsgebiet bearbeiten. Das muß kein Nachteil sein, denn manche Forschungsgebiete sind so faszinierend, facettenreich und unerschöpflich, daß sie einen Menschen jahrzehntelang zu fesseln vermögen. Problematisch wird es, wenn die Konzentration auf ein einziges Thema zu einer Blickverengung führt, zur Bevorzugung einer bestimmten Perspektive und zur Vernachlässigung anderer Perspektiven. Leider ist genau dies bei Peter Hart der Fall.

Dabei beginnt das Buch vielversprechend. Im ersten Kapitel erläutert Hart das konfliktträchtige europäische Mächtesystem in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts. Die militärischen Potentiale des Deutschen Reiches, Frankreichs, Großbritanniens, Österreich-Ungarns, Rußlands und des Osmanischen Reiches werden ausgelotet und miteinander verglichen. Hart arbeitet die verschiedenen Konfliktlinien zwischen den Staaten und Bündnissen heraus, skizziert das Wettrüsten und die wachsende Spannung in den Jahren unmittelbar vor 1914, erörtert die von den Generalstäben ausgearbeiteten Pläne für den Ernstfall und schildert abschließend das Attentat von Sarajewo und die Julikrise. So weit, so gut. Doch schon bei der Lektüre des zweiten Kapitels setzen Enttäuschung und Ernüchterung ein.

Schnell wird klar: Hart bietet eine ausschließlich militärische Geschichte des Ersten Weltkrieges. Das ist legitim, doch sollte man als Autor potentielle Leser auf diese Tatsache hinweisen, sei es durch einen entsprechenden Untertitel, der den Titel des Buches präzisiert, sei es durch eine Erklärung in der Einleitung, warum auf fast 470 Seiten Text ausschließlich die militärische Geschichte des Krieges erzählt wird, alle andere Aspekte aber vollständig ausgeblendet werden. Hart präsentiert einen Weltkrieg ohne jegliche politik-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Kontextualisierung. Er konzentriert sich strikt auf das militärische Geschehen an den wichtigsten Kriegsschauplätzen: West- und Ostfront, Dardanellen, Italienfront, Mesopotamien, Naher Osten. Auch der Seekrieg wird in drei Kapiteln behandelt.

Nach der Erörterung der Juli-Krise und der wechselseitigen Kriegserklärungen geht Hart sofort in medias res und schildert den deutschen Einmarsch in Belgien und die Eroberung Lüttichs. Die europaweite Kriegsbegeisterung - Stichwort "Augusterlebnis" - wird nicht thematisiert, ebenso wenig wie Propaganda und Mobilisierung der Zivilbevölkerung. Der Leser erfährt nichts über die Kriegsziele der Kombattanten. Innenpolitische Entwicklungen in den kriegführenden Staaten während der Kriegsjahre, die Lage an den Heimatfronten sowie Finanzen und Kriegswirtschaft werden ebenfalls konsequent ausgeblendet. Erleichtert stellt man fest, daß Hart wenigstens die Februar- und die Oktoberrevolution in Rußland erwähnt. Manch einer mag einwenden: Wollte man alle diese genannten Aspekte behandeln, und das für alle oder zumindest die wichtigeren der kriegführenden Staaten, dann würde das den Rahmen eines Buches sprengen oder die Kompetenz eines einzelnen Autors übersteigen. Darauf ließe sich entgegnen: Kein Autor muß heute noch Grundlagenforschung betreiben, um eine "histoire totale" des Ersten Weltkrieges schreiben zu können. Die verfügbare Literatur ist so umfangreich und ergiebig, daß Hart keine Probleme gehabt hätte, auch politik-, sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte zu berücksichtigen, und sei es in konziser, gedrängter Form. Die Beschränkung auf den militärischen Verlauf des Krieges läßt das Buch konzeptionell altmodisch und einfallslos wirken. Da Hart lediglich den seit langem gesicherten Kenntnisstand über das Kriegsgeschehen zusammenfaßt, fragt man sich als Leser, ob der Autor eigentlich irgendetwas Neues zu bieten hat. Wozu ein Buch lesen, das nicht über das hinausgeht, was man möglicherweise schon an anderer Stelle gelesen hat?

In ermüdender Detailfülle behandelt Hart Offensiven, Schlachten und sogar einzelne Gefechte an den verschiedenen Fronten. Die Karten am Anfang des Buches - eine für jeden Kriegsschauplatz - ermöglichen es nicht, Harts Schilderungen nachzuvollziehen. Die Ausführlichkeit, mit der selbst obskure Scharmützel und minimale Geländegewinne an diesem oder jenem Frontabschnitt erörtert werden, macht die Lektüre anstrengend und mühselig. Unwillkürlich fragt man sich: Für wen sind diese detaillierten Schlachtbeschreibungen heute eigentlich noch von Interesse? Was soll man als militärischer Laie damit anfangen? Ist das nicht eher etwas für Fachleute? Störend wirken die zahllosen Blockzitate, die den gesamten Text durchziehen und den Lesefluß stören. Namentlich die Kapitel über die Westfront bestehen zu einem Viertel, wenn nicht gar zu einem Drittel aus langen Blockzitaten, die in extremen Fällen bis zu 40 Zeilen umfassen. Es handelt sich um Augenzeugen- und Erlebnisberichte von Soldaten, Offizieren und auch hohen Kommandeuren, die bestimmte Aspekte des Kriegsgeschehens, die im Haupttext behandelt werden, veranschaulichen sollen. Doch das ständige Hin- und Herspringen zwischen Makro- und Mikroebene wirkt auf die Dauer verwirrend und verhindert, daß man als Leser ein kohärentes Bild vom Kriegsgeschehen gewinnt. Planungen der Generalstäbe und großangelegte Offensiven auf der einen Seite und Erlebnisse einzelner Soldaten auf der anderen Seite sind zwei weit voneinander entfernte Ebenen, die darstellerisch zu verknüpfen von zweifelhaftem Wert ist. Hätte Hart auf diese vielen Zitate verzichtet, die überwiegend eine rein illustrative Funktion haben und für das Verständnis der Kriegshandlungen irrelevant sind, dann hätte er genug Raum gehabt, um auch auf andere, d.h. nichtmilitärische Aspekte des Krieges eingehen zu können. Auch der Verzicht auf die Behandlung von Nebenkriegsschauplätzen (Dardanellen, Naher Osten) hätte Platz für andere Aspekte geschaffen.

Langer Rede kurzer Sinn: Dieses Buch ist nur für Leser geeignet, die sich für das militärische Geschehen des Ersten Weltkrieges interessieren und sonst nichts. Wer Fragen hat, die darüber hinaus gehen, der wird bei Peter Hart nicht fündig werden. Insgesamt bleibt das Buch weit hinter dem zurück, was man heute als Historiker und als historisch interessierter Laie von einer Gesamtdarstellung des Ersten Weltkrieges erwarten darf. Zu allem Übel enthält der Band nicht einmal eine brauchbare Bibliographie. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Mai 2013 bei Amazon gepostet)

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