Rezension zu "Ein Jahr in Marrakesch" von Peter Mayne
Dieses vor allem anfangs recht amüsant geschriebene Buch lässt den Leser tief eintauchen in die maurische Lebenswelt. Der Autor mietete sich in einem Hotel für Einheimische ein, wo er gleich mit der dortigen Geschäftstüchtigkeit Bekanntschaft machte. So manche Unwissenheit führte zu peinlichen Fehlern. Mit wachsendem Spracherwerb konnte er in ein gemietetes Häuschen ohne Wasser aber mit Strom umziehen. Für die Körperhygiene besuchte er ein Hamam und beschreibt die dortige Prozedur recht ausführlich. Sein Bekanntenkreis wächst, der Blick auf die Nachbarn und ihre Mentalität nimmt zu.
„Leben heißt Muße, und Muße ist genau das, was eine Arbeit einem verweigert. Die Mauren wissen das und arbeiten ganz nach Lust und Laune, je nachdem, ob ihre Mägen leer oder voll sind; aber von diesen Glückszustand bin ich noch ein großes Stück entfernt“ ist auf Seite 124 zu lesen.
Mayne berichtet von seinen Schwierigkeiten beim Schreiben, von Wetterkapriolen und schließlich auch von einem Besucher, der ihm die Sehenswürdigkeiten der Stadt vorstellt. So entwickelt sich vor dem Auge des Lesers ein umfängliches Bild der Stadt und seiner Bewohner, das so in keinem Reiseführer zu finden ist.
Leider hat meine anfängliche Begeisterung zum Ende hin etwas nachgelassen. Manche beschriebene Charaktere waren mir zu fremd und die Erzählung über einheimische Gesellschaften zu ausführlich. Auch wenn sich in den vergangenen 70 Jahren im Stadtbild und der Lebensweise sicherlich einiges verändert hat, kann ich diesen Reiseklassiker jedem ans Herz legen, der mehr als die Sehenswürdigkeiten von Marrakesch kennenlernen will.
Peter Mayne (1908 bis 1979) war ein englischer Reiseschriftsteller, der über seine Erfahrungen in Nordafrika, in Indien und Griechenland schrieb. Sein Vater war ab 1903 für zwanzig Jahre der Rektor des Rajkumar Colleges im indischen Rajkot und kümmerte sich danach um den jungen Maharadscha von Jaipur. Peter kehrte nach seinem Schulabschluss in England nach Indien zurück. Während der Teilung des indischen Subkontinents (1945-1947) diente er als stellvertretender Sekretär dem pakistanischen Flüchtlingsministerium. 1949 reiste er nach Marokko. Vier Jahre später wurde in England und den USA „The Alleys of Marrakesh“ veröffentlicht. Sein erstes und wahrscheinlich bekanntestes Buch wurde 1982 unter dem Namen „A Year in Marrakesh“ neu aufgelegt.