Cover des Buches Lust und Liebe dann kam das Leben (ISBN: 9783954887316)
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Rezension zu Lust und Liebe dann kam das Leben von Peter Nimsch

Gibt es die große Liebe?

von parden vor 10 Jahren

Kurzmeinung: 200 Seiten weniger Sex hätten dem Buch gut getan - so konnte es mich erst im letzten Drittel wirklich fesseln... Mal was anderes!

Rezension

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pardenvor 10 Jahren
GIBT ES DIE GROSSE LIEBE?

Alles beginnt mit einer ziemlichen Katastrophe. Werbetexter Paul freut sich darauf, nach Hause zu kommen und stellt sich schon herrliche erotische Szenen mit seiner Freundin vor - als er plötzlich vor verschlossener Haustür steht. Seine Klamotten stehen auf dem Flur, seine Freundin vertreibt sich die Zeit hörbar mit aufregenden erotischen Spielchen - doch nicht mit ihm! Wieder einmal steht Paul vor den Scherben seines Lebens, doch wozu sind Freunde da? Taxifahrer Fred holt ihn mit Sack und Pack ab und bringt ihn zu einer kleinen, vollkommen heruntergekommenen Wohnung auf der bekannten Leipziger Straße, der Karli. Hier tobt das Leben, und so findet sich Paul schnell mit seiner neuen Situation ab - zumal sein früheres Stammlokal gleich um die Ecke liegt. Paul richtet seine neue Wohnung nach und nach mit Hilfe seiner Freunde eher unkonventionell her, doch schließlich ist er mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Alles ist bereit, um schließlich auch weibliches Publikum in seine Wohnhöhle einzuladen - und diesem Lebensziel widmet sich Paul mit seinem besten Stück 'Klein-Paul' auch gerne und ausschweifend...

Zwei Jahre seines Lebens begleitet der Leser den schrägen Helden Paul in diesem weitestgehend chronologisch aufgebauten Buch. Allerlei Witziges passiert ihm einfach, er trifft auf sehr besondere Menschen und vieles in seinem Leben verändert sich allmählich. Paul beginnt, sein Leben selbst mehr in die Hand zu nehmen. Eines aber bleibt als Hauptantriebsmotor seines Lebens bestehen: Sex, Sex, Sex.
Zwar ist die Geschichte flüssig zu lesen, zu schmunzeln gibt es auch so einiges - aber die doch sehr einseitige und nimmermüde Betonung der schönsten Nebensache der Welt ließ das Ganze für mich allmählich doch eher zu einem Einheitsbrei verkommen. Es gab Längen, und ca. 200 Seiten weniger Sexdominanz hätte dem Buch m.E. gut getan. Zudem waren die Liebesszenen auf eine Art geschildert, die mich persönlich leider nicht sonderlich ansprachen, so dass sich das Lesen zeitweise gar zäh gestaltete...

Selbst 'Klein-Paul' erkennt im Laufe der Zeit: "Irgendwann wird auch der schärfste Pornofilm langweilig, vor allem wenn er zur Pflichtveranstaltung wird" (S.362). Zwischendurch fürchtete ich in der Leserunde gar um 'Klein-Paul', denn alles schien für den kleinen Helden fast schon auf ein Burnout-Syndrom hinauszulaufen...

Doch eines Tages schlägt auch bei Paul der Blitz ein. Er ist verliebt! Diana heißt die Angebetete, und beide können nach anfänglichem Zögern ihr Glück nicht fassen: "...ich habe langsam Angst vor so viel Glück." (S. 475).
Diana erfüllt alles, was Paul mit einer Traumfrau verbindet, und Paul scheint bei allen Erfahrungen und allem Schrägen in seinem Leben derjenige zu sein, der Diana glücklich machen kann. Diana, die noch verrückter ist, als er selbst, wie Paul immer wieder feststellen kann, und die ihn jeden Tag aufs Neue zu überraschen vermag. Beide schwören sich, alles dafür zu tun, damit ihr Glück auf ewig hält...

Das letzte Drittel des Buches mit der Geschichte um Paul und Diana riss das ganze für mich wieder heraus aus dem Einheitsbrei der erotischen Dauereskapaden. Endlich entwickelte sich die Erzählung so, dass mir die Charaktere näher kamen. Paul, dem das Leben einfach passiert, dem es schwerfällt, Entscheidungen zu treffen, der meist einfach nur furchtbar lieb ist. Und Diana, eine Frau mit einer bewegten Vergangenheit und verrückten spontanen Einfällen, immer wieder von Eifersucht geplagt.
Doch bald schon wird das Glück auf die Probe gestellt, es kommt zu einer ernsthaften Krise, in der sich die Beziehung bewähren muss. Wenn sie kann.

Schreiben kann er, der Peter Nimsch, und so berührten mich manche Szenen gerade im letzten Drittel des Buches unerwartet. Vieles in der Geschichte ist eng verwoben mit der eigenen Lebensgeschichte des Autors. Manches wurde hinzugedichtet. Aber bei manchen Szenen dachte ich: sollten diese auch nur ansatzweise autobiografische Züge tragen, kann ich nur sagen: Hut ab. Nicht zuletzt vor der Offenheit, mit der hier mit bestimmten Themen umgegangen wird, die in unserer Gesellschaft eher noch tabuisiert werden.
Das Ende - gefiel mir nicht so ganz, passte aber doch gut, so dass ich das Buch schließlich nicht unzufrieden schloss...

"Das Leben ist nicht planbar." (S. 610)

Ein Buch, das mich nicht eindeutig begeistert hat, mich aber im letzten Drittel für sich einnehmen konnte. Ein Held, der keiner ist, der aber gerade darum um so liebenswerter erscheint. Eine Geschichte, die mich unerwartet berührte, als ich gar nicht mehr damit rechnete. In jedem Fall einmal ein ganz anderes Buch!
Hin- und hergerissen war ich in der Bewertung. Als es sich in den ersten zwei Dritteln phasenweise wirklich zog und ich das Thema Sex nicht mehr lesen mochte, schwankte ich sogar zwischen zwei und drei Punkten. Aber die Entwicklung im letzten Drittel korrigierte es schließlich sogar auf vier Punkte.

Der Autor verriet in der Leserunde noch, dass es noch ein zweites Buch mit Paul geben wird. Ich bin wirklich neugierig darauf zu erfahren, wie sein Leben weitergehen wird. Und ja, ich mag den Paul nun. Irgendwie.


© Parden

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