Rezension zu Eine Familie in Deutschland von Peter Prange
Eine äußerst schicksalsbehaftete Familie in Deutschland
von Newspaperjunkie
Kurzmeinung: Zu viel des Schlechten für eine Familie.
Rezension
Newspaperjunkievor 5 Jahren
"Die große Familiengeschichte in Zeiten der Entscheidung" so steht es in großen Lettern auf der Rückseite des Buchs. "... sie alle müssen sich entscheiden: Mache ich mit? Beuge ich mich? Oder widersetze ich mich?" steht dort ebenfalls. Das Buch handelt also von einer Familie in Deutschland, deren einzelne Mitglieder begleitet werden von dem Tag der Machtergreifung bis zum Kriegsbeginn. Es wird die Familie Ising beleuchtet, Vater erfolgreicher Fabrikant, glückliche Ehe, vier junge erwachsene Kinder sowie einen Nachkömmling. Nach dieser Kurzvorstellung erwarte ich ein Buch mit spannenden innerfamiliären Auseinandersetzungen zu den Themen was ist richtig, was ist falsch. Nur leider bekomme ich es nicht.
Jedes Familienmitglied wird hier durchleuchtet. Da sind Herr und Frau Ising mit ihrem kleinen Nachkömmling Willy, die erwachsenen Kinder Edda, Charly, Horst und Georg. Hinzu kommen noch ein Onkel mütterlicherseits, Carl Schmitt, sowie die Familie eines ehemaligen Kriegskameraden von Hermann Ising, Familie Bernstein. Jedes Kapitel ist ca. 2 Seiten lang und wird aus jeweils einer Perspektive erzählt. So kommen wir bei 666 Seiten auf knapp 300 Kapitel. Das sorgt für einen enorm schnellen Lesefluss. Ziemlich schnell merkt man aber, dass genau diese kleinteilige Beleuchtung der Geschehnisse der Tod dieser Geschichte ist.
Der Autor verrennt sich leider in seiner Zergliederung. Hinzu kommt, dass er das gesamte Konfliktpotential dieser Zeit in einer Familie bündelt. Da ist Horst, der überzeugte Nazi, Georg, der nur seiner Ingenieurskarriere willen der Partei beitritt, Charly, die einen Juden heiratet, Edda, die erst einen Kommunisten und dann auch noch eine Frau liebt, Willy, der mit Trisomie 21 geboren wird, Onkel Carl, der geborene Opportunist, der sich immer der passenden Seite anbiedert und letztendlich noch die Familie Bernstein, Juden.
Gerne hätte ich jetzt gelesen, wie Charly, die den Juden Benjamin Jungblut über alles liebt, mit ihrem überzeugten Nazibruder in die Diskussion geht. Oder wie Georg mit sich hadert, ob er der Partei beitreten soll, ohne Überzeugung, nur seiner Karriere willen. Welche Überzeugung hat er eigentlich? Und was ist mit Edda, deren kommunistischer Freund schon nach wenigen Seiten stirbt, sie trauert ein wenig, verliebt sich dann jedoch in Leni Riefenstahl, das exakte Gegenteilt ihres vorherigen Freundes. Das muss doch zu unglaublichen Gewissensbissen führen. Selbst Horst, den überzeugten Nazi, hätte man in die Entscheidungsfindung schicken können, wenn es darum geht, was mit seinem geliebten aber behinderten Bruder Willy geschehen soll. Die Geschichte birgt unglaublich viel Potenzial, sich genau mit dem Thema auseinanderzusetzen, welches angekündigt war: Zeiten der Entscheidung. Nur ist es gar nicht so spannend, als Leser vor die vollendeten Tatsachen gestellt zu werden, statt an der Entscheidungsfindung teilzuhaben.
Der Autor hätte sich auf einige Konflikte dieser Zeit konzentrieren sollen, statt gleich ALLE abzuhandeln. Allein die Geschichte von Charly und Benny im Gegenspiel zu Horst und seiner Frau Ilse hätte das gesamte Buch gefüllt.
Bei so viel Schicksal in einer Familie, bleiben die Charaktere somit farblos und eindimensional.