Cover des Buches Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt (ISBN: 9783103972597)
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Rezension zu Die sanfte Gleichgültigkeit der Welt von Peter Stamm

Gibt es einen festen, roten Faden im Leben?

von M.Lehmann-Pape vor 6 Jahren

Rezension

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M.Lehmann-Papevor 6 Jahren
Gibt es einen festen, roten Faden im Leben?

„Sie können mich fragen, was sie wollen. Nicht nur nach dem, was im Buch steht, auch nach dem, was tatsächlich geschehen ist“.
„Warum sollte ich. Sie haben ihr Leben und ich habe meins. Du ich habe absolut nicht die Absicht, mir meines von ihnen erzählen zu lassen“.

Was letztendlich doch geschehen wird in diesem nachdenklichen, neuen Werk von Peter Stamm.

Was zunächst nach Science Fiction klingt, dass man sich bei einer Lesereise im Rahmen des einzigen Buches, dass man je geschrieben hat, im Heimatdorf „sich selbst“ im Hotel begegnet, ist im Kern eine existenzielle Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Dinge, Abläufe, Ereignisse des Lebens „wahlfrei“ im Raum stehen, oder einem festgelegten Ablauf, zumindest Rhythmus folgen.

Denn das Ich, dem der Autor Christoph begegnet (oder meint, zu begegnen) ist ein jüngeres Ich. Eines, dass „den Roman“ und die Abläufe der engen Liebesbeziehung zur jungen Magdalene noch vor sich hat.

Und inmitten der Phase, in der sein jüngeres Ich eben jenen Roman schreibt, nimmt der ältere Christoph Kontakt zu Magdalene auf. Mit welcher Absicht, dass ist letztlich genau die Frage.

Will er drohendes Unheil für sein jüngeres Ich verhindern? Will er Magdalene für sich in der älteren Version „hinüberziehen“? Interessiert ihn einfach die Frage, ob das Schicksal, die Lebenslinie in verschiedenen Variationen vorliegt oder doch einem immer gleichen Ablauf folgen wird?

Und Unebenheiten? Dass er im früheren Leben sich erst allmählich verliebt hat, Magdalena aber behauptet, „ihr Christoph“ hätte Liebe auf den ersten Blick gespürt? Dass das Thema des Romans ein anderes zu sein scheint?

In ruhiger Form geht Peter Stamm diesen existenziellen Fragen nach. Lässt mitklingen, ob im menschlichen Leben das Ende immer offen ist, ob Wahlfreiheit herrscht oder die in der Kindheit geprägte Person wie auf Schienen ihren Weg gehen wird, nur in der Illusion behaftet, Herr des eigenen Lebens zu sein.

„Die Geschichte, die ich ihm erzählt habe, geht nicht gut aus“.
„Dann hat er sie eben geändert“.
„Man kann einen Schluss nicht einfach so ändern“.

Oder doch?

Wobei es nicht um die wohlbekannten Fantasien über „eine zweite Chance“ im Buch geht, nicht darum, im Nachgang bestimmte Entscheidungen anders getroffen zu haben. Peter Stamm bleibt konsequent beim Nachgehen der verschiedenen Ich´s und der Haltung des Christoph, der vielleicht sogar nur mit aller Macht den gleichen Weg für sein jüngeres Ich erzwingen will, wie es ihm selbst widerfahren ist.

Doch, und das lässt Stamm an Ende als offene Frage stehen nach all den vermeintlich so wichtigen Irrungen und Wirrungen des Lebens des Autors im Buch, ist das alles überhaupt von Bedeutung?

„Wenn der alte Mann stirbt, wird alles in den Müllgeworfen, weil er keine Angehörigen hat, oder weil niemand sich für seine Sachen interessiert…..ohne eine Spur zu hinterlassen“.

Ein sprachlich differenziertes Werk, in manchen Passagen etwas langatmig, dass am Ende die Frage nach der Wichtigkeit all der Wichtigkeiten stellt und im Verlauf eine interessante Balance zwischen möglichen Variationen des einen Lebens und einer ebenso denkbaren Eindimensionalität des Lebens aufrechterhält.
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