Cover des Buches Gott und die staatliche Eisenbahnen (ISBN: 9783548601175)
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Rezension zu Gott und die staatliche Eisenbahnen von Peter Ustinov

Rezension zu "Gott und die staatliche Eisenbahnen" von Peter Ustinov

von Marina vor 17 Jahren

Rezension

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Marinavor 17 Jahren
Dieses Buch ist eine Sammlung von Kurzgeschichten, womit ich erst gar nicht gerechnet habe, als ich mir das Buch zum Lesen schnappte. Die ersten zwei Seiten war ich beim Lesen auch mit den Gedanken nicht ganz bei der Sache, aber Peter Ustinov zieht einen schnell in seinen Bann. Die Geschichten sind so kurios, teilweise merkwürdig und skurril, aber man weiß wirklich nie wie die Geschichte ausgeht, bis man das Ende gelesen hat. - Die Grenzen des Meeres - Diese Geschichte spielt in dem Dorf San Jorge de Bayona, einem kleinen Fischerdorf in Spanien. Dort kennt jeder jeden und vor allem kennt jeder Vicente Mendenez Balestreros, ein alter Mann, der weder lesen noch schreiben kann und oft stundenlang auf einer Mauer sitzt und aufs Meer schaut und eigentlich nie etwas zu irgendwem sagt. Eines Abends mobilisiert er wieder die Leute des Dorfes, um mit den Booten mitten in der Nacht auf die stürmische See zu fahren, weil er ganz weit hinten am Horizont in der Dunkelheit etwas gesehen oder vielleicht auch nur geahnt hat. Aber er hat recht und die Männer retten einen auf dem Wasser treibenden Mann, dessen einziges Wort, das er zu kennen scheint, "Shkipra" ist. Die Polizei ermittelt in dem Fall und bis sie herausfinden wer er ist und woher er kommt sitzt er jeden Tag mit Vicente auf der Mauer und schaut aufs Meer. Hin und wieder drehen sie sich eine Zigarette, aber sie reden nie ein Wort miteinander, weil es auch keine Sprache gebe, in der sie sich hätten unterhalten können. Eines Tages kommt die Polizei in das kleine Fischerdorf und holt "Shkipra" ab, um ihn nach Hause zu bringen und Vincentes Reaktion darauf ist wirklich nicht vorherzusehen. Ich glaube, dass ich diese Geschichte nicht so ganz verstanden habe, aber wie gesagt, war das auch die schwerste und ich musste mich erst mal einlesen. Trotzdem wollte ich unbedingt wissen wie's weitergeht. - Die Schweizer Uhr - Das ist auch eine herrliche Geschichte. Total verworren, obwohl es eigentlich um eine ganz simple Sache geht. Pia Chiantella ist Italienerin und als Dienstmagd in Paris im Haushalt von Monsieur Petiton eingestellt. Zusammen mit ihrem Arbeitgeber, dessen Frau und den drei Kindern fährt sie in das Familienchalet in der Schweiz. Dort angekommen käuft sie ein Geschenk für ihren Lieblingsneffen Manlio - eine oktogonale Armbanduhr mit Datumsanzeige und integriertem Wecker für 180 Franken. Die bekommt er nach Italien geschickt, doch als Pia mit den Kindern der Familie Petiton wieder zurück in Paris ist, bekommt sie ein Päckchen mit besagter Uhr von ihrem Neffen mit der Mitteilung, dass er lieber eine Uhr ohne Wecker haben möchte, weil er ihn nerven würde. Also schickt Pia die Uhr in einem Umschlag auf den sie irgendwas von wegen "zollfreie Testware" oder sowas schreibt (ich hab' das Buch leider grad nicht zur Hand, aber ich werd' die Tage noch mal nachschauen) wieder in die Schweiz zu Madame Demoruz. Sie solle bitte die Uhr bei Monsieur Knüsperli umtauschen in eine, die keinen Wecker hat und demnach auch günstiger sein müsse. Madame Demoruz beauftragt nun ihrerseits ihren Mann und damit nimmt das Chaos seinen Lauf. Man glaubt gar nicht wieviel Wirbel eine Uhr verursachen kann. Irgendwie ist diese Geschichte schon richtig erschütternd, aber unheimlich lustig und amüsant. Mir hat sie sehr gut gefallen. - Träumen von Papua - Bill Holms ist begeisterter Briefmarkensammler und außerdem Präsident der Vereinigten Staaten. Zum Zeitpunkt der Geschichte tagt er mit seinen Stabschefs, um mit ihnen die Veränderungen in der restlichen Welt zu besprechen und über die Stufe der Eskalation zu entscheiden, die in diversen Ländern durchgeführt werden soll. Und weil alles immer weiter eskaliert beschließt man einen (Friedens)Gipfel in Genf anzuhalten. Am ersten Tag boykotiert die sowjetische Delegation den Gipfel und auch am zweiten Tag kommt man nicht wirklich weiter. Also ziehen sich Bill Holms und der Präsident der Sowjetunion Mr. Schtscheparenko mit zwei Dolmetschern in ein Separée zurück, um über ihre beiden Nationen zu reden. Plötzlich schickt der sowjetische Staatschef die Dolmetscher aus dem Zimmer, wobei Bill Holms doch etwas mulmig wird. In gebrochenem englisch erklärt Schtscheparenko ihm, dass er begeisterter Briefmarkensammler ist, dass er aber in der Sowjetunion nicht so viele verschiedene bekommen kann, wie der Präsident in den USA und er träumt von einer Briefmarke aus Papua. Dem amerikanischen Präsidenten fällt ein Stein vom Herzen und die beiden wollen "Briefmarken tauschen". Allerdings ist der Präsident sich später gar nicht mehr so sicher, ob es nicht ein Bestechungsversuch war, der ihn das Amt kosten kann. Und von wem zum Teufel war die Wanzeim Kronleuchter? Diese Geschichte ist eher etwas ruhiger, allerdings so wunderschön an der Grenze zur Übertreibung, dass sie sich auch sehr schön lesen lässt. - Die Attentäter - Diese Geschichte spielt in Frankreich. Eines Tages kommt ein Mann namens Bratko Zvoinitch zu Monsieur Ambroise Plageot (Leiter der Abteilung Èloignement, die Leib und Leben ausländischer Würdenträger, die auf Besuch in Frankreich sind, schützt) ins Büro und behauptet, dass er und seine Komplizen, den Imam von Hidschas auf seinem Frankreichbesuch ermorden würden, wenn er sie nicht zeitweise nach Korsika schickt. Plageot weiß anfangs überhaupt nicht was er davon halten soll, aber er kann die Truppe, deren Mitglieder alle über 80 sind, nicht ganz ernst nehmen. Außerdem glaubt er zu wissen, dass sie nur "Urlaub" auf Staatskosten machen wollen. Sein Vorgänge Monsieur Latille hat ihnen zwar immer nachgegaben und sie regelmäßig bei diversen Staatsbesuchen nach Korsika geschickt, aber Plageot will nicht so leicht nachgeben. Und damit fängt das Chaos an. Die Geschichte ist zwar auch ganz nett, aber mir selbst gefällt sie nicht ganz so gut, wie manch andere, auch wenn man sich immer wieder fragen muss, was denn jetzt mit den alten "Attentätern" wirklich los ist. - Geschenkter Hund - Das ist eine richtig makabere Geschichte. Angela ist 26 und wird bald ihren Verlobten Bryan Upstreet heiraten. Einige Zeit vorher - was man in einer Rückblende erfährt - hatte sie eine Art Techtelmechtel mit Gyles Carchester-Fielding. Von besagtem Carchester-Fielding bekommt sie kurz vor der kirchlichen Trauung einen Leominster-Bluthund geschenkt - eine neue Rasse, die von seinem Vater gezüchtet wird. Angela weiß zwar nicht so recht wie sie auf das Geschenk reagieren soll, aber sie nimmt ihn dankend an und tauft ihn passenderweise Casanova. Dann fahren Angela, Bryan und Casanova in die Flitterwochen und schon da merkt man, dass mit dem Hund etwas nicht stimmt. Als er dann auch noch den Pekinesen von Mrs. Symington-Stobart - Angelas Mutter - tötet, fragt man sich langsam wirklich wie Gyles Vater diesen Hund gezüchtet hat. Er scheint auch nur auf Angela zu hören und Bryan erstens nicht sonderlich zu mögen und zweitens seine Anweisungen gänzlich zu ignorieren. Als Bryan eines Tages mit der Nachricht kommt, dass er nach Bagdad versetzt wurde und der Hund nicht mitkommen kann, scheint Casanova von all dem nicht sonderlich begeistert zu sein und löst das Problem auf seine eigene Art. Nach dieser Geschichte musste ich erstmal was lustigeres lesen, weil es wirklich dermaßen makaber und teilweise auch unheimlich ist, dass ich so nicht schlafen gehen wollte. - Das Leben ist eine Operette - Mizzi Somlos will ein Operettenstar werden und mit der Operette "Liebe im Zigeunerwagen" schafft sie es auch. Allerdings hält der Rum nicht ihr ganzes Leben an, sondern fängt langsam aber sicher an zu verblassen und Mizzi scheint daran zu zerbrechen. Sie heiratet öfter und meint ihre Liebe immer in anderen Männern zu finden. Dabei übersieht sie völlig, dass Lajos Palotai - ihr erster Liebster - der Mann wäre, der sie glücklich machen könnte. Doch Mizzi kann sich bis zum Schluss nicht dazu durchringen ihn zu heiraten, vielleicht weil er denkt, dass das Leben keine Operette ist. Später kommt dann noch die ungarische Revolution dazwischen und auch die Zeit an der Mizzi total am Ende ist. Lajos denkt zeitweise sogar, dass sie Selbstmord begangen hat und erleidet wegen der Schuldgefühlt einen totalen Nervenzusammenbruch. Die Geschichte kann man wirklich schwer beschreiben, man muss sie einfach lesen. Peter Ustinov beschreibt hier auf wenigen Seiten das komplette Leben von Mizzi Solmos und man hat am Ende wirklich das Gefühl, dass man ihr Leben gekannt hat. - Gott und die staatlichen Eisenbahnen - Das ist auch eine sehr schöne Geschichte, einfach durch die netten Charaktere, die teilweise zwar etwas nervig, aber doch alle sehr liebevoll beschrieben sind. Zuerst lernt man ein paar Leute kennen, die alle im gleich Zug sitzen, um von Italien in die Schweiz zu fahren. Allerdings leider zu einer Zeit, in der die italienischen Eisenbahner streiken. Der Zug fährt zwar, aber er wird an allen möglichen Bahnhöfen immer mal für kurze Zeit aufgehalten. Zum Glück ist der Bahnschaffner ein redegewandter Kerl und weiß auf den Demonstrationskundgebungen immer das richtige zu sagen, damit der Zug weiterfahren darf. Allerdings hat der Bahnhof Mine di Trasquera etwa 5 km vor der Schweizer Grenze einen so rigorosen Bahnvorsteher, dass dort ihre Reise leider fürs erste zuende ist. Aber was heißt leider, war es nicht ein großes Glück? Die Geschichte gefällt mir fast noch am Besten. Eben weil die Charaktere so wunderbar beschrieben werden. - Der seidene Dolch - Bei der Geschichte wusste ich erstmal gar nicht mehr worum es ging, als ich die Überschrift gelesen habe, wobei sie eigentlich auch nicht schlecht war. Giuseppe Gargaglia sitzt im italienischen Gefängnis und wartet auf die Entscheidung, ob er hingerichtet werden soll oder nicht. Noch vor einigen Zeiten wurde niemandem der Prozess gemacht, sondern die Gefangenen wurden einfach vor ein Erschießungskommando gestellt. Irgendwann bekommt Gargaglia allerdings Besuch von Guido Manasse, einem der größten Strafverteidiger vor italie
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