Peter Waterhouse und Nanne Mayer, erschaffen mit dem Buch „Die Auswandernden“, ein Werk an der Schnittstelle von Literatur und Kunst, mit äußerst aktuellen Bezug. Das Buch hat es auch dieses Jahr auf die Shortlist des österreichischen Buchpreis geschafft.
In diesem Buch geht es aber nicht klassisch um eine Fluchtgeschichte, oder um eine politische Auseinandersetzung, hier geht es in erster Linie um die Perspektive auf Sprache. Es ist ein Projekt der anderen Art, welches durch Kunst und Poesie einen ganz neuen Zugang zu diesem Thema mitbringt.
Peter Waterhouse wurde 2012 mit dem österreichischen Staatspreis ausgezeichnet und hat mehrere Jahre an dem aktuellen Buch gearbeitet. Die Arbeit begann er schon vor der großen Flüchtlingskrise, als dieses Thema noch nicht so populär war. Seine Herangehensweise an das Thema, ist erfrischend anders, als man das erwartet. Eine große Rolle spielt in seinem Werk die Sprache, als Schlüssel zu Kultur und Identität. Es geht um die junge Frau Media, die aus einem kaukasischen Dorf, nach Österreich flüchtet. Die sprachlich sehr begabte Frau begleitet den Ich-Erzähler durch Wien und sie lernen, reflektieren und spielen mit der deutschen Sprache. Dadurch versuchen sie die Wörter und die neue Lebenssituation zu verstehen und sich ihr anzunähern. Dabei bewegt sich der Text zwischen sprachlichen Harmonien, gedanklichen Verknüpfungen und Absurditäten. Die Gedanken des Erzählers schweben, springen, wiederholen sich und transformieren sich durch den Einfluss von Media, zu etwas Neuem. Aber nicht nur Media hat Einfluss auf die Gedankenwelt, auch viele Zitate von Autoren (Hebbel, Stifter, Dickens und Andere) finden ihren Platz.
Der Schreibstil ist dementsprechend poetisch, analytisch und fast schon künstlerisch. Man muss sich auf diesen Text einlassen und der Sprache den Raum lassen, sich zu entfalten. Dann wird man schnell den Nachklang entdecken, den der Autor auslöst. Besonders interessant ist dabei zu beobachten, welche Wechselwirkung zwischen dem Erzähler und Media entsteht. Diese hat scheinbar eine ganz andere Herangehensweise an sprachliche Bedeutung, welche wahrscheinlich aus dem Umgang und der Kultur ihrer eigenen Sprache herrührt.
Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Roman besonders für Sprachwissenschaftler und Germanisten interessant ist. Aber auch allen Anderen, kann er neue Sichtweisen auf Sprache und Flucht eröffnen.
Die künstlerischen Arbeiten von Nanne Meyer, geben dem Buch etwas Spezielles und verleihen ihm nochmal eine tiefere Ebene: eine Ebene der Betrachtung und Impression. Nicht gleich wird einem klar, wie diese Zeichnungen und Collagen im Zusammenhang stehen. Man kann sie jedoch einfach auf sich wirken lassen und dann entfalten sie viele Fragen und Eindrücke, welche zu dem Buch passen und eröffnen wieder neue Sichtweisen. Ich finde die Kombination zwischen Kunst und Prosa in diesem Fall sehr gelungen, wobei ich solchen Experimenten oft abgeneigt bin. Hier entsteht jedoch eine überaus interessante Kombination. Die Kunstwerke sind abstrakt und meist von wenigen Wörtern oder Wortgruppen aus dem Buch begleitet.
Das Buch hat es mit Recht auf die Shortlist des österreichischen Buchpreises geschafft, weil es etwas ganz Neues wagt und die Grenzen zwischen Kunst, Literatur, Sprache und Gesellschaft verschwimmen lässt. Es regt den Leser an, sich Gedanken zu machen und provoziert geradezu mit seiner Poetik und Sprachfertigkeit zur Reflexion.
Die Auswandernden – ein Buch über Sprache, Flucht, Weggehen und Ankommen