Peter Wyden
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Stella Goldschlag
Stella
Die Mauer war unser Schicksal
Stella Goldschlag (Steidl Pocket)
Neue Rezensionen zu Peter Wyden
Gebundene Ausgabe: 384 Seiten
Verlag: Steidl GmbH & Co. OHG ISBN-13: 978-3958296084
PREIS: 20,00 Euro
Die Biografie - die wahre Geschichte zur Person Stella Goldschlag hat mich neulich gefesselt.
Ich möchte euch berichten, wie mir das Buch gefallen hat.
Es ist schon fast als Klassiker zu bezeichnen, viel ist zur Person der Stella Goldschlag geschrieben worden, aber die Ausführungen von Peter Wyden sind doch die bekanntesten finde ich.
Stella Goldschlag war eine intelligente Frau, die als Jüdin in Deutschland lebte - zu einer Zeit, als es für Juden hier alles andere als ungefährlich war. Die Eltern hatten es nicht geschafft, rechtzeitig das Land zu verlassen. Stella wurde bald verhaftet und gefoltert. Sie ließ sich anwerben als Verräterin zu arbeiten, um die Eltern zu schützen, um sie vor dem sicheren Tod zu bewahren. Leider konnte sie sie doch nicht retten, machte in diesem Sog aber weiter.
Der Autor des Buches ging mit Stella zur Schule. Auch er, wie viele andere Schüler, war in sie verliebt, in das schöne blonde junge Mädchen, dass so ganz anders aussah als eine Jüdin. Erst 1946 erfuhr er, dass sie Juden auslieferte, für den Tod so viele verantwortlich war. Er recherchierte viele Jahre - und heraus kam ein Buch, welches es in sich hat. Er sprach mit Zeitzeugen, Psychologen und Geschichtswissenschaftlern und auch mit Stella Goldschlag selbst, die damals im Westen Deutschlands lebte - unerkannt ...
Wyden - eigentlich Weidenreich - erzählt die Geschichte der Stella Goldschlag, sachlich, informativ und spannend, er klagt keinesfalls an, er entschuldigt aber auch die Taten Stellas nicht ...
Wunderbar zu lesen - spannend wie ein Krimi, Biografie einer besonderen Frau, man kann es sehen, wie man will, sie ist eine Ikone im besonderen Sinne.
Das Buch ist in fünf Bücher gegliedert. Anhängend gibt es noch Bildmaterial.
Anfang des Jahres gab es einen richtigen Literaturskandal um einen kleinen Roman, der sich ein großes Thema gewählt hatte: Stella von Takis Würger fiktionalisierte die Person der Stella Goldschlag, die als Jüdin ab 1943 für die Gestapo andere Juden, die in Berlin untergetaucht waren, aufspürte und denunzierte. Sehr unterschiedliche Reaktionen, meist stark ablehnender Natur folgten.
Peter Weyden, ehemals Weidenreich, geboren 1923, war in den Jahren von 1935 bis 1937 ein Klassenkamerad von Stella Goldschlag an der Goldschmidt Schule und wie alle Jungen der Schule, wie er schreibt, in das bildhübsche, strahlende Mädchen verliebt. 1937 emigrierte er mit seinen Eltern in die USA und kehrte 1945 als Angehöriger einer Spezialeinheit für psychologische Kriegsführung der US Army nach Deutschland zurück. Durch Zufall hörte er von der „Greiferin“, die er alsbald als seine ehemalige Klassenkameradin Stella identifizierte. Seine Neugier war geweckt. Wie war es möglich, dass das behütete Einzelkind Stella, der intelligente, umschwärmte „Star“ der Schule, das Mädchen mit der großen Ausstrahlung und dem enormen Selbstbewusstsein zu einer Frau wurde, die zusammen mit anderen Juden, allesamt wie sie mit äußerst „arischem“ Aussehen, gnadenlos Hatz auf untergetauchte Juden machte, diese denunzierte, teilweise selbst verhaftete und der Deportation und damit dem nahezu sicheren Tod auslieferte?
Ein Thema, das den Journalisten Peter Weyden über Jahrzehnte nicht losließ. Er konsultierte Archive, stöberte in Akten und Protokollen, die nach Kriegsende bei den zweimaligen Anklagen gegen Stella Goldschlag verfasst wurden (zehn Jahre Straflager wurde von einem sowjetischen Militärtribunal verhängt, weitere zehn Jahre, deren Verbüßung aber durch die erste Strafe als abgegolten angesehen wurde, durch ein deutsches Gericht), führte unzählige Interviews mit Zeitzeugen. Ein großer Quellenanhang ist dem Buch beigefügt.
Weydens Spurensuche, die von der großen Faszination gespeist wurde, die Stella auf sein jüngeres Ich ausübte, und die immer mit autobiografischen Bezügen versehen wird, verknüpft auf eindrucksvolle Weise das Einzelschicksal mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen im Deutschland der Dreißiger und Vierziger Jahre, den historischen Ereignissen und dem politischen Kontext. Er zeigt darin sowohl großes Einfühlungsvermögen als auch eine enorme Fähigkeit zur Differenzierung. Das Verhalten Stellas wird nicht entschuldigt, geschweige denn gerechtfertigt, aber er erweist der Person immer Respekt, analysiert ihre Zwangslage, ihren Selbsthass, den tiefen Wunsch „dazuzugehören“, die Ablehnung alles „Jüdischen“, das enorme Bedürfnis nach Anerkennung und Aufmerksamkeit, aber auch ihre erschreckende Uneinsichtigkeit und geradezu Arroganz nach Kriegsende. Kein Urteil zu fällen, brachte Peter Weyden gerade in den USA heftige Vorwürfe gerade auch von Holocaustüberlebenden ein. Dazu trug sicher auch bei, dass Weyden direkten Kontakt zu der mittlerweile nach fünf Ehen (der erste Mann, Manfred Kübler wurde 1943 in Auschwitz ermordet, der zweite, Rolf Isaaksohn agierte mit ihr als „Greifer“) vereinsamt unter geändertem Namen in Freiburg lebenden Stella aufnahm. Auch mit ihrer 1945 geborenen, in Israel lebenden Tochter Yvonne, die zeitlebens jeden Kontakt zur Mutter ablehnte, führte er Gespräche.
Das ist ein großer, ein tragischer, ein hochinteressanter Stoff, dem Takis Würger in seinem Roman „Stella“ in keiner Weise gerecht wird, dies aber wohl auch gar nicht anstrebte. Auch wenn dem Text mitunter sein Alter etwas anzumerken ist, manche Dinge zurecht hinterfragt werden können (wie z.B. die Beurteilung, dass es „den Typ“ von Überlebenden gäbe oder die starke Reduzierung von Stella auf ihre äußeren Reize, ihre laszive Ausstrahlung, die für viele Männer das Verhängnis gewesen wären), ist das Buch eine absolut lesenswerte, wichtige Lektüre.
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