Petra Cichos

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Cover des Buches Ermittlungsakte Zarentochter Anastasia (ISBN: 9783981867879)

Rezension zu "Ermittlungsakte Zarentochter Anastasia" von Petra Cichos

Überaus interessante Einblicke, aber mit doch erheblichen Fehlern
Ein LovelyBooks-Nutzervor 4 Jahren

Ich habe mich sehr gefreut, als ich auf dieses Buch stieß, denn die Ermittlungsakten erschienen mir zu diesem Fall doch sehr interessant zu sein. Und Cichos hat da schon gute Recherche geleistet, aber die leider doch sehr vielen Fehlern nehmen einem den Lesespaß. Da heutzutage viele Bücher nicht mehr richtig lektoriert werden, könnte man über das eine oder andere hinwegsehen, wenn nicht fast auf jeder Seite ein falsch geschriebenes Wort zu finden wäre, wozu dann aber noch viele historische Fehler hinzukommen. Die Autorin hat die Akten, also Aussagen sicher abgeschrieben, wobei ihr die Fehler eben nicht auffielen. Wenn man sich im Schreibfluss befindet kann dies natürlich passieren, sollte aber später nochmals durchgegangen werden. Ich habe starke Zweifel, ob man die Fehler auch in den schriftlichen Aussagen (Gericht etc.) wiederfindet. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. 

Hinzu kommen aber auch noch wirklich gravierende Fehler im historischen Bereich. So erwähnt sich die Aussage einer Tochter des Großherzogs Ernst Ludwig V. von Hessen und bei Rhein- Elisabeth, die einzige Tochter desselben, starb 1903 als Achtjährige. Da auch 1937 der erstgeborene Sohn Donatus verstarb (Flugzeugabsturz in Ostende, Belgien), muss die Aussage vom zweitgeborenen Sohn stammen (Ludwig, Lu). Solche und andere historische Fehler fallen nun sicher nur jemandem auf, der sich mit dem Haus Hessen u.a. auskennt, stören aber dann. Ich kann hier nicht auf alles eingehen, was den Rahmen sprengen würde.

Die Akten und Aussagen sind aber so wiedergegeben, wie sie eben vorlagen- also meint zB Tatjana Botkin, die Tochter des Leibarztes der Zarenfamilie Dr. Botkin, sie habe Anastasia gut gekannt und lügt damit. Weder sie noch ihr Bruder waren viel mit den Zarenkindern zusammen, nur ihr Vater aufgrund seiner Stellung. Aber dies wird auch in den Akten erwähnt- eben, daß Menschen, die die Familie nicht wirklich kannten, behaupteten, es sei anders gewesen. Frau Anderson verstrickte sich aber selbst in Falschaussagen, die auch alle so genannt werden. Man kann aber herauslesen, daß viele sich von dem Kontakt zu ihr etwas versprachen- wäre sie Anastasia gewesen, dann hätte sie einen Erbanspruch gehabt, u.a. auf Geld, welches noch in England für die Zarentöchter und den Sohn deponiert worden sein soll. Der Zar hatte viele Millionen Rubel bei der Bank Mendelssohn & Co. angelegt, aber dieses Geld mit Kriegsbeginn nach Russland transferieren lassen. Und der Thronanspruch war für Russland angesichts des neuen Regimes verwirkt. 

Ich würde sagen, man hat Frau Anderson durchaus instrumentalisiert und sie nutzte dies aus- zuerst sagte sie aus, sie sei Tatjana. Manche Menschen, die sie besuchten, stellten fest, wie sie bereits darauf vorbereitet war, wer sie besuchen käme (sie kannte die Namen dann) oder man legte ihr Worte in den Mund. Das Gericht belegt sogar, daß sie bestimmte Dinge aus Büchern wissen konnte, wie den Spitznamen des Sohnes einer ehemaligen Hofdame der Zarin, der Alexandras Patensohn war (Titi, der Sohn von Lili Dehn oder auch Lili von Dehn). Dehn hatte ein Buch veröffentlicht mit ihren Memoiren, ebenso wie andere Hofdamen (Anna Wyrubova, Sophie von Buxhoeveden...). Und laut mehrerer Aussagen las Anna Anderson gerne Bücher über Russland und ihre Familie, sammelte Magazine. Wurde sie mit bestimmten Einzelheiten konfrontiert, sagte sie, sie sei müde oder drehte sich weg. Personen, die sie erkennen musste, wie ihre Tante Irene, erkannte sie nicht.

Wenn sie also 1920 nach Berlin kam, um ihre Tante Irene (Schwester der Zarin und Ehefrau von Prinz Heinrich von Preußen) zu sehen und um Hilfe zu bitten, hätte sie als echte Anastasia wissen müssen, daß Irene auf dem Gut Hemmelmark in Schleswig-Holstein bei Kiel lebte, denn dort hatte sie sie mit ihrer Familie mehrfach besucht. Sie wollte sie aber in Berlin auffinden. 

Man weiß heute, daß Anna Anderson nicht Anastasia war, aber sie war dennoch eine wirklich gute Hochstaplerin und wurde viele Jahre vom Adel protegiert, was ihr auch viele Reisen ermöglichte und ein doch gutes Leben. Ob sie die polnische Landarbeiterin Franziska Schanzkowsky war, ist aber auch nie geklärt worden- also eindeutig- da von vier Geschwistern nur eine Schwester in ihr die Schwester Franziska erkannte. 

Der ganze Fall ist interessant, da Anna Anderson von allen, die behaupteten Tatjana, Maria etc. zu sein, ihr Fall die Massen bewegte, bekannt wurde und über Deutschland hinaus. 

Cichos schreibt, man möge sich selbst ein Urteil bilden und das fällt nach dem Lesen nicht schwer- es spricht zuviel dagegen- aber feststellen kann man eines- viele wollten, daß sie es ist, weil man sich- vor allem russische Emigranten- viel davon erhoffte (Einfluss, Geld etc.)- gerichtlich scheiterte sie aber in der Anerkennung.

Ich würde mich eher fragen, ob Anastasia nach dem Verlust der Familie, dem Trauma ihre Ermordung mitangesehen zu haben, überhaupt noch selbst hätte leben wollen- die Familienmitglieder standen sich sehr nahe- ich hätte meinen Retter eher gefragt, warum er nur mich rettete...darüber kann man auch nachdenken. Vielleicht hätte sie eher ein verstecktes Leben vorgezogen, denn kein Geld der Welt hätte ihr die Familie wiedergebracht. Sie wäre sicher an dem Verlust zerbrochen. 

Was ich in den Aussagen schon manchmal zum Schmunzeln fand, war u.a., daß jemand behauptete, Alexandras Bruder Ernst Ludwig (Ernie) sei 1916 im Krieg noch zu ihr gereist, besprach sich mit Rasputin, um einen Frieden auszuhandeln zwischen Deutschland und Russland. Das ist natürlich Unsinn, zumal Alexandras Geschwistern der Kontakt zu dem Mönch nicht recht war und sie ihre Schwester dafür verurteilten, weil sie glaubte, nur er könne ihren Bluterkranken Sohn retten- was aber auf ihrer tiefen Religiösität begründet war. Niemand hätte sich mit Rasputin besprochen von den Geschwistern oder Aexandra darin bestärkt, sie sorgten sich vielmehr, als sein Einfluss auf sie immer größer wurde. 

Also, lesenswert ist das Buch, wenn man sich für den Fall interessiert, aber eben mit den erwähnten Mängelchen.


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