Rezension zu "Dreizimmerwohnung aus Plastik" von Petra Hulová
„Nicht stinken und sein Gewicht halten. Einen wichtigeren Grundsatz kenne ich nicht“.
Was Wunder, denn die atemlos vor sich hin erzählende Ich-Erzählerin im Roman geht dem „ältesten Gewerbe der Welt“ nach. Als Prostituierte ist sie erfahren, voll im Geschäft und hat vor allem dafür zu sorgen, dass ihre „Geschäftsgrundlage“ erhalten bleibt.
Und das ist gar nicht so einfach angesichts der modernen Welt. „Die Digiwelt foltert mich, als wäre ich nicht schnell genug und dabei bin ich noch ganz jung und nackt und brauche Wärme“.
Wärme für das „Reibeisen“ und das „Reinstecksel“, durchgehende Bezeichnungen für männliche und weibliche Geschlechtsorgane, die in vielfältiger Form zueinander finden können. Zumindest, wenn vorher dafür bezahlt wurde. Denn nichts ist ihr fremd oder merkwürdig, Erfahrung besitzt sie genug und geht beherzt zur Sache. Ihr kann man nichts mehr erzählen oder vormachen, sie kennt jede Stellung und jeden Wunsch. In einer Welt, das schält sich im Lauf des Romans heraus, die nichts anderes mehr zu sein scheint als völlig pornografisiert. So wundert es kaum, dass es dem „Reinstecksel“ fast völlig schon vergangen ist, die Lust darauf, dass „die Lüsternheit auf allen Vieren gekrochen kommt“.
Aber was tut man nicht alles mit 30, wenn in der „Digiwelt“ an Nachschub, auch ganz jungem, kein Mangel herrscht. Jeder ausgefallene Wunsch wird aufgenommen und vermeintlich lustvoll umgesetzt. Und es gibt schon merkwürdige Wünsche, die im Buch nachzulesen sind. Wobei nicht die Grauzonen der Sexualität im Vordergrund stehen, sondern der ganz alltägliche Publikums- und Bedürfnisverkehr.
Eine Welt, die auch dem Leser durchaus die Lust vergehen lassen kann, im Übrigen, wie nüchtern sachlich und letztlich entblößend die „Reibeisen“ nur kurz dem tristen Alltag entfliehen möchten und mit wie wenig Lust und Fantasie gerade die Kunden ihre kurze Zeit in der „Dreizimmerwohnung aus Plastik“ zu nutzen gedenken.
Der Stil allerdings ist sehr gewöhnungsbedürftig. Einerseits atemlos und rasant, direkt und klar ohne verbale Umschreibungen, andererseits wirkt die Ich-Erzählerin fast schon naiv in ihren Verniedlichungen, in ihrem „Reibeisen und Reinstecksel“, gar nicht wie eine kalkulierende „Geschäftsfrau“ an vorderster Front der käuflichen Liebe.
So rasant und atemlos im Übrigen, dass der Leser ein um das andere Mal droht, den Faden zu verlieren und die Orientierung im Buch. Erlebnis reiht sich an Erlebnis, unterbrochen von vielfachen Bewertungen und Meinungen der Ich-Erzählerin über sich, die Kunden, die Welt und, natürlich, über die anderen Frau da draußen, die es einfach nicht verstehen, die „Reibeisen“ tüchtig zu pflegen und damit zu Hause zu halten.
Offensiv und direkt, auf Dauer ein stückweit zu assoziativ und den Leser zu sehr unter einen Wasserfall an Worten begrabend, gelingt es der Autorin über weite Strecken hinweg, einen ungeschminkten, respektlosen und dennoch nicht geschmacklosen Blick auf die „moderne“ Welt der käuflichen Sexualität zu öffnen.