Cover des Buches Das klare Sommerlicht des Nordens (ISBN: 9783499267772)
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Rezension zu Das klare Sommerlicht des Nordens von Petra Oelker

Zwei Frauenschicksale in Hamburg um 1900

von Dreamworx vor 10 Jahren

Rezension

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Dreamworxvor 10 Jahren

Hamburg 1906. Sidonie ist eine junge verheiratete jüdische Frau, die mit ihrem Ehemann privilegiert im Hause ihrer Schwiegereltern in einer Villa an der Außenalster lebt. Eigentlich hat sie alles, was man sich wünschen kann: einen wohlhabenden Haushalt, einen liebenden Ehemann und nichts, dass sie entbehren muss. Doch sie leidet darunter, dass sie die Erwartungen der Familie und ihres Mannes nicht erfüllen und ihnen kein Kind schenken kann. Sie wird nach zwei Fehlgeburten depressiv und schwermütig. Um sie von ihrem Schmerz abzulenken, verordnet ihr Mann ihr eine vierwöchige Auszeit in einem Malkurs, denn Sidonie war schon früher eine ganz passable Malerin. Nach ihrer Rückkehr lernt sie durch einen glücklichen Zufall Dora kennen, eine Aushilfsnäherin aus ärmlichen Verhältnissen mit unbekannter Herkunft, die in Sidonies Haushalt Ausbesserungen vornehmen soll. Die beiden Frauen, so unterschiedlich sie von ihrer Herkunft sind, verstehen sich gut und jede lernt durch die andere eine neue Sichtweise auf die Welt.

Petra Oelkers historischer Roman „Das klare Sommerlicht des Nordens“ ist ein Gesellschaftsroman der besonderen Art. Der Schreibstil ist wunderbar zu lesen, sehr bildreich und intensiv, als Leser kann man regelrecht in den Sätzen schwelgen und fühlt sich zurückversetzt in eine bereits 100 Jahre zurückliegende Zeit. Sowohl die damalige Gesellschaftsstruktur ist sehr schön herausgearbeitet als auch das in der Bevölkerung geschürte Misstrauen gegenüber Juden aufgezeigt. Die Erzählung teilt sich in zwei Handlungsstränge, in dem einen wird das Leben und die Welt um Sidonie beleuchtet, der andere befasst sich mit Dora und ihrem Umfeld. Die Charaktere der Hauptprotagonistinnen sind sehr detailliert und liebevoll gezeichnet, wirken wunderbar authentisch und lebensecht. Obwohl die beiden Frauen von ihrer Herkunft her nicht unterschiedlicher sein könnten, verbindet sie nach einiger Zeit ihres Kennenlernens eine ungezwungene Beziehung, fast könnte man es Freundschaft nennen. Während Sidonie die Sehnsucht zur Malerei und dem Gebrauch und Einsatz von Farben, Licht und Schatten verspürt, wünscht sich Dora einen eigenen Mode- und Schneidersalon, wo sie endlich nach ihren Entwürfen Kleider nähen und den Kundinnen näher bringen kann. Die unerfüllten Träume verbinden die beiden Frauen, jeder von ihnen fehlt eine Vertrauensperson, der sie sich mitteilen können und der unvoreingenommen zuhört und Rat gibt, woraus beide Kraft und Mut schöpfen, sich ihren Träumen zu stellen und womöglich andere damit vor den Kopf zu stoßen, wenn sie sich aufmachen, diese zu verwirklichen.

Ein wunderschöner Roman über eine unkonventionelle Freundschaft, über heimliche Träume und den Mut zur Tat und dem dazugehörenden Widerstand durch die Gesellschaft und die Familie. Ein historischer Roman, der in die Tiefe geht und sich mit den Gedanken und Gefühlen der Frauen zur damaligen Zeit beschäftigt. Ein wahrer Lesegenuss, absolut empfehlenswert.

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