Cover des Buches Friedrich der Große Detektiv (ISBN: 9783499217913)
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Rezension zu Friedrich der Große Detektiv von Philip Kerr

Hommage.

von Gulan vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Eine schöne Hommage an Erich Kästner und die aufrechten Deutschen. Allerdings wirkt der Plot zum Ende hin etwas zusammengeschustert.

Rezension

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Gulanvor 6 Jahren
„Gib es her“, sagte Rolf. „Gib mir das Buch.“
„Es ist mir ganz egal, was du sagst: Du kriegst mein ‚Emil und die Detektive‘ nicht, du kannst machen, was du willst!“, schrie Friedrich. […]
„Es ist nur zu deinem Besten, Friedrich, kapierst du das nicht? Es sind Leute wie Kästner und ihre verdrehten Bücher, die dieses Land kaputt machen. Wenn wir Deutschland je wieder stark machen wollen, dann müssen wir über solche wichtigen Dingen dasselbe denken.“
Friedrich starrte seinen Bruder wütend an. „Hast du eigentlich jemals gern ein Buch gelesen, Rolf? Ich glaube nicht. Ich glaube, ich habe dich nie mit einem Buch in der Hand gesehen.“ […] „Vielleicht bist du deshalb so versessen darauf, dieses Buch zu verbrennen, weil du Bücher einfach nicht magst. Du verstehst gar nicht, warum jemand bloß aus Freude liest.“ (Auszug Seiten 85-87)

Der 13-jährige Friedrich Kissel ist ein begeisterter Fan des Kinderbuchs „Emil und die Detektive“ und das Beste ist: Er wohnt in Berlin in der Nachbarschaft von Erich Kästner, der ein Freund von Friedrichs Vater ist. In seiner Freizeit spielt Friedrich selbst gerne mit seinen drei Freunden Detektiv und hilft der Polizei bei Kleinigkeiten. Doch im Berlin des Jahres 1933 wird aus dem Spaß böser Ernst. Kästners Bücher werden verbrannt und plötzlich wird Friedrichs Bande von einem Polizisten beauftragt, Kästner auszuspionieren.

Die Geschichte wird aus Friedrichs Perspektive erzählt. Die Figuren sind durchaus glaubhaft arrangiert. Friedrichs Vater ist Kulturredakteur des liberalen Berliner Tageblatts und daher beruflich und nachbarschaftlich bekannt mit Erich Kästner. Über diesen lernt Friedrich weitere Künstler kennen, die das neue Regime ablehnen. Aber in Friedrichs Familie gibt bereits einen Konflikt: Sein Bruder Rolf ist überzeugter Anhänger der Nationalsozialisten und führt erbitterte Diskussionen mit seinem Vater. Auch Friedrich ist anfangs durchaus fasziniert von den Inszenierungen des neuen Regimes. Doch allmählich spürt er die Veränderungen im Alltag, die Ausgrenzung der Juden und Andersdenkenden. Sein Freund Leo, ein Jude, verlässt mit seinen Eltern die Stadt. Am allerdeutlichsten ist sein Unverständnis in Bezug auf die zunehmende Ablehnung, die sein Lieblingsautor Erich Kästner erfährt. So ist er völlig verwirrt, als er und seine Freunde den Auftrag erhalten, Kästner zu beschatten. Doch er macht im Glauben mit, seinen Freund vom Vorwurf der Spionage befreien zu können.

Philip Kerr ist vielen Lesern bekannt als Autor der Bernie-Gunther-Reihe über einen Privatdetektiv, ehemaligen Kommissar und Nazi-Gegner, der sich durch die Nazizeit schlägt. Aber Kerr ist auch Autor von Kinder- und Jugend-Fantasy-Büchern. Kerr verstarb am 23.März diesen Jahres an einem Krebsleiden. Im letzten Jahr veröffentlichte er noch Friedrich der große Detektiv. Die Idee zu diesem Buch hatte Philip Kerr nach eigenen Angaben, nachdem er auf Youtube die Verfilmung von „Emil und die Detektive“ aus dem Jahre 1931 gesehen hatte. Er fragte sich, was wohl aus den jugendlichen Schauspielern geworden sei und recherchierte, dass diese alle als junge Soldaten im zweiten Weltkrieg gestorben waren.

Das Buch wird auch als Hommage an Erich Kästner und seinen Roman „Emil und die Detektive“ bezeichnet. „Emil“ taucht an vielen Stellen im Buch auf, es beginnt sogar mit der Filmpremiere. Auch der große deutsche Autor und Pazifist Kästner spielt tatsächlich eine zentrale Rolle in diesem Roman als Mahner, Freund und Ratgeber für Friedrich. Allerdings habe ich zu dieser „Hommage“ auch eine kritische Stimme gefunden, denn im Blog Literaturgarage wird eine Szene, in dem Kästner vor Friedrich ein Loblied auf Friedrich den Großen singt, sehr kritisiert und auch mit Quellen belegt, dass Kästner den Preußenkönig nicht unbedingt als Vorbild sah.

Aber nicht nur Kästner taucht als Person der Zeitgeschichte in diesem Buch auf. Ebenfalls Auftritte haben beispielsweise Walter Trier, Billy Wilder, Max Liebermann oder Christopher Isherwood. Kerr versucht sehr verdichtet, Fakten und Fiktion miteinander zu vermischen. Er lässt seine Hauptfigur die Ereignisse von 1933 hautnah miterleben. Friedrich ist beim Fackelzug am 30. Januar, seine Klassenlehrerin wird aus dem Dienst suspendiert, sein Bruder ist an der Bücherverbrennung beteiligt. Nach etwa 165 Seiten ist der erste Plotstrang vorbei, bis hierhin war ich ziemlich zufrieden. Doch dann wurde es aus meiner Sicht weniger stringent, Kerr baut hier noch Episoden ein, die wie nachträglich eingefügt wirken inklusive einer abschließenden Traumsequenz, die mich nicht so recht überzeugen konnte. Und schließlich gibt es ja noch den Ausgangspunkt Kerrs für diese Geschichte („Was ist aus diesen Jungen geworden?“), die dem Buch letztlich ein etwas abruptes und auch ein bitteres Ende verschafft, womit man bei Jugendbüchern über diese Epoche aber zwangsläufig rechnen sollte.

Der Verlag empfiehlt das Buch ab 11 Jahren, was ich für durchaus früh halte, denn trotz mancher Erläuterungen (auch im Anhang) müssen manche Zusammenhänge erkannt werden. Trotz der oben genannten kritische Anmerkungen hat mich das Buch über weite Strecken gut unterhalten. Kerr gelingt eine durchaus lehrreiche, aber auch spannende Geschichte. Lediglich im letzten Drittel des Buches will der Autor aus meiner Sicht zu viel und kann das Niveau nicht ganz halten.

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