Erzählende Bilder
Man muss nur neugierig in jenen Teil des Buches hineinschauen, den Plisson mit „Ein Leben nach dem Meer“ überschreibt und dort die vielfachen Bilder auch kleiner, fragiler, hölzerner, zerfallender Schiffe, eher Boote, fast Nussschalen in Ruhe betrachten , um zu erleben, wie sehr es Philip Plisson gelingt, mit seinen Fotografien ganze Geschichten zu erzählen.
Wie nicht der Verfall, das achtlose, weggeworfene nach einer Weile im Auge des Betrachters überwertig verbleibt, sondern das Erlebte, die Zeichen langer Fahrten und weiter Reisen.
Tote Schiffe, aber eben nur auf den ersten Blick. Denn an die wunderbar ins Licht gerückten Spuren mitsamt der Umgebung (so manches Schiff findet sich auf dem Trockenen dort wieder) erzählen von Erlebnissen. Abblätterungen, Kerben vom Leben im Salzwasser und sicher so manchem Sturm.
Einfach „Schiffe“ heißt der deutsche Titel und Schiffe sind es, die in dem voluminösen, großformatigen Fotoband enthalten sind. Aber, wie eben auch im erwähnten Kapitel, Plisson versteht es, ungewöhnliche und faszinierende Perspektiven zu wählen, Perspektiven, die von sich aus beginnen, die Bilder lebendig werden zu lassen und die Fantasie anzuregen. Momentaufnahmen, die das je abgebildete Schiff oder Boot nicht nur „an sich“ einfangen, sondern immer auch in einen Zusammenhang stellen, der entdeckt werden will, der beginnt, zu erzählen.
Wie es Plisson gelingt, von noch weiter oben einen landenden Hubschrauber in Verbindung mit dem elegantem Schiffsrumpf und den aufgewühlten Wellen aus der Vogelperspektive auf Fotopapier zu bannen, das ist beeindruckend. Ebenso, wie die Segelyacht modernster Machart in voller Gischt voranprescht.
Von riesigen Containerschiffen bis zum Beiboot, von majestätisch am Eisberg vorbeifahrenden Errungenschaften der Technik bis zur Jolle, von Meeresgetier, an Schiffsrümpfen klebend bis zum glänzenden Stahl, vereinigt dieses Buch so gut wie alles, was auf dem Meer fährt oder eben, gefahren ist. Bilder, die, jedes für sich, eine ganz eigene Sprache sprechen. Stolz der Technik, aber auch übermächtige Natur, die Weite des Meeres, aber auch das achtlos verfallende Boot am Strand.
In mannigfaltiger Weise hat sich Plisson seinem „Lieblingsmotiv“ Schiff und, hier vor allem, dem „Bug“ zugewendet und entstanden ist eine innere Reise in einzelnen Etappen, deren Zentrum nicht ein roter Erzählfaden ist, sondern jede Etappe, jedes Schiff, jede Perspektive für sich führt in eine eigene, wortlos erzählte Geschichte hinein. Fast riecht man das Meer und erlebt die Faszination moderner Hochseerennen intensiv mit.
Ein Bilderreigen, der nur an wenigen Stellen, da, wo neue, thematische Kapitel beginnen, von wenigen Worten unterbrochen wird und den Betrachter ansonsten schwelgen lässt in diesem farbigen Kaleidoskop des Meeres, der Boote, der Fische, des Windes, Salzes und Fernwehs.
Das Buch ist ein Erlebnis, für das man kein „Seebär“ zu sein braucht, um es mit vollem Genuss betrachten zu können. Ein Meister seines Faches hat hier meisterhaft erstellt und zusammengestellt.