Habt Ihr schon mal ein Buch überhaupt nicht verstanden und es trotzdem gut gefunden? Ich auch nicht - bis ich zufällig „Wolkenjagd“ in die Hände bekommen habe. Worum es geht, kann ich Euch wirklich nicht sagen. Ein Mann erlebt was und denkt drüber nach, könnte man vielleicht sagen. Erst hat mich beim Lesen die teilweise etwas, naja, vulgäre Ausdrucksweise gestört. Aber später habe ich sie dann als Qualitätsmerkmal wahrgenommen, als street credibility wenn man so will. Die Sprache macht die Worte glaubwürdig, da sie den Eindruck vermittelt, dass hier jemand erzählt, der sein Leben nicht im literarischen Elfenbeinturm verbracht hat, sondern der wirklich etwas erlebt hat, der also etwas zu erzählen hat. Was soll ich sagen, ich habe es halt nicht verstanden. Lasst Euch einfach drauf ein!
Philipp Hager
Alle Bücher von Philipp Hager
Im Bauch des stählernen Wals
Wieso riecht’s hier nach Benzin und was macht das Streichholz in deiner Hand?
Wolkenjagd
Sextant-Sonaten
Liebe unter Einzellern
Neue Rezensionen zu Philipp Hager
Jeder liebt Gedichte oder schwärmt für Lyrik. Wenige kaufen sie und wenige lassen sich wirklich darauf ein. Zu verbreitet sind die oft berechtigten Vorurteile, Lyrik sei unverständlich und man wäre zu blöd, die pathosgetränkten Zeilen zu verstehen. Ganz schlimm ist es, wenn ein „Dichter“ in den siebten Himmel gelobt wird, denn es handelt sich meistens nur um den Kritikerhimmel. Mit einem Satz: Die Poesie geht am breiten Publikumsgeschmack vorbei.
Deshalb sind Dichter wie der Österreicher Philipp Hager so wichtig. Er bevorzugt den Freistil, d.h., die Regeln, die dem ursprünglichen Gedicht zugrunde liegen, setzt er außer Kraft. Nun ist es schon lange nicht mehr ungewöhnlich, wenn jemand nicht mehr reimt. Das ist legitim und wird auch von den Hütern der Formen anderkannt, aber diverse Autoren schreiben dann mit unverständlicher Grammatik und Zeichensetzung und stürzen den Leser damit in eine lyrische Verzweiflung.
Hager schreibt eigentlich Miniaturen, die nicht nur in sich schlüssig sind, sondern klar in der Sprache und vor allem mit Inhalten, mit denen jeder etwas anfangen kann. Raymond Carver, der Short-Story Meister hat das in seinen wenigen Gedichten vorgemacht und versucht, eine Mischform aus Story und Gedicht zu entwickeln, eine Lyrik, in der das eine das andere nicht ausschließt, sondern beide ein spannendes Verhältnis eingehen.
Sextanten-Sonaten nennt sich das Werk, in dem Philipp Hager versucht, aus seinen inhaltlichen Vorgaben eine Position zu beziehen. Wendepunkte und einschneidende Erlebnisse, die die Qualität einer Richtungsweisung für das weitere Leben haben können. Das ist ihm großartig gelungen. Ganz besonders bei den Betrachtungen, die er über das eigene Kind in seinem Kosmos macht, aber auch die Standortbestimmung zum Bücherschreiben („Bücherwanderung“) beeindruckt durch ihre Idee und die Konsequenz, die sie für den Autoren und die Selbsteinschätzung hat. Erfrischend in diesem Buchbetrieb.
Hager spricht eine klare und deutliche Sprache. Dass er seine Texte Gedichte nennt, wird dadurch rechtfertigt, dass sie eine Melodie und einen Rhythmus haben, der einfach stimmt. Seine Leichtigkeit macht den Sinn transparent und lässt ihn nicht als Rätsel erscheinen, sondern als Erkenntnis, die man entweder teilen oder modifizieren kann. In jedem Fall nimmt er den Leser mit und es gibt keinen Grund Angst zu haben, dass etwas verklausuliert oder mühsam zu entschlüsseln ist. Hagers Lyrik ist klar und poetisch, denn es gelingt ihm, immer die richtigen Worte zu finden, um Bilder zu zeichnen und deutlich zu machen, worum es geht. Diese Lyrik ist die Lyrik für alle und nicht nur für die selbsternannten Spezialisten. Denn sie tut eines: Sie funktioniert.
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