Inhalt
Drei eigentlich unabhängige Novellen, die sich mit einem Kunsthändler auf Abwegen, einem Mann mit zwei Persönlichkeiten und einer Serienmörderin befassen. Eigentlich unabhängig, denn am Ende laufen sie doch alle auf einen Punkt hinaus.
Rezension
Nun ja.
Ich mag Kurzgeschichten und Novellen ja immer wieder recht gern. Dieses Genre wird meiner Meinung nach zu Unrecht oftmals verkannt, denn es ist eine Kunst, auf wenigen Seiten genug zu erzählen, dass man als Leser nachdenklich zurückbleibt, sprachlos, schockiert oder glücklich.
Tatsächlich hinterließen Philipp Spierings Novellen bei mir nur einen fragenden Gesichtsausdruck. Was genau habe ich da gelesen? Aber der Reihe nach.
Die erste Geschichte ist das titelgebende Statement. Zunächst lernen wir einen auf den ersten Blick irgendwie unsympathischen jungen Mann kennen, der sich seinen Traum einer eigenen Kunstgalerie verwirklicht hat: Kristian Borgia – und nein, er ist nicht mit den historischen Spaniern verwandt. Dennoch, und in enervierender Häufigkeit, wird er im Verlauf des Buches nur noch Cesare genannt. Eines Tages findet ein reicher Herr mittleren Alters den Weg in seine Galerie, kauft ein Bild und wirft Kristian ein Paar Brocken hin, denen er nachgehen soll. Neue Weltordnung, Schuldgeldsystem, Verkalkung der Zirbeldrüse. Wer nun nicht selbst sofort Google befragt, wird im Buch jedenfalls auch nicht aufgeklärt. Ob das nun ein besonders raffinierter Denkt-Mit-Kniff des Autors ist, sei mal dahingestellt, bei mir kam er jedenfalls nicht an. Nun, jedenfalls scheint Kristian, pardon Cesare, scheinbar fündig, denn er schließt sich einer Organisation an, die gegen das Übel der Welt antritt, natürlich. Da das Ganze reine Selbstjustiz beinhaltet und auch hier wenig bis gar nicht schlüssig erläutert wird, blieb mein Verständnis für die Beweggründe eher vager Natur.
Die zweite Novelle befasst sich mit einem laut Klappentext von Schizophrenie betroffenem jungen Mann. Den einen Morgen wacht er als poetisch veranlagter Albert auf, der nicht recht mit Frauen umzugehen weiß und sich auch ansonsten häufig eher zurückgezogen verhält. Am nächsten Tag ist er Arthus, ein kokainvertreibender Draufgänger und Frauenheld. An dieser Stelle möchte ich dringend darauf hinweisen, dass Schizophrenie keineswegs mit einer Identitätsstörung jedweder Art zu verwechseln ist. Dass man eine Geschichte schreibt, in der die Erkrankung des Mannes Dreh- und Angelpunkt ist, und sich scheinbar rein gar nicht mit der Symptomatik dieser schweren psychischen Erkrankung auseinandergesetzt hat, finde ich ziemlich bitter. Dass im Laufe der Seiten ein verpfuschter Drogendeal, ein Kettensägen-Lauf über Dächer, und ein an einer heißen Glühbirne angebrannter Joint zum Zuge kommen, haben das Ganze dann auch nicht mehr gerettet.
Novelle Nummer Drei nennt sich Lichtbringer. Hier nun haben wir größtenteils einen Dialog zwischen einem Psychoanalytiker und einer im Gefängnis sitzenden Serienmörderin. Ähnlich wie in der ersten Novelle werden uns Lesern einige Brocken hingeworfen, denen wir und der Analytiker ganz für uns nachgehen sollen. Denn die Gesinnung, die hinter den Morden steckte, verbirgt sich unter Thesen, die Luzifer – den Lichtbringer und Verführer auf Erden – zum Bösen par excellance erklären. Der Autor versucht sich hier an einigen interessanten Fragen, die innerhalb des Gesprächs aufgeworfen werden, deren Antworten mir aber persönlich zu geistig verklärt erschienen. Möglicherweise fehlt mir hier aber auch einfach das philosophische Gen, um den tieferen Sinn dahinter zu verstehen. Tatsächlich verstanden habe ich allerdings, dass sich die Schlange in den eigenen Schwanz beißt, denn wurde die Erleuchtung in der ersten Novelle noch mittels Meditation gesucht, so ist diese nun des Teufels Dreizack. Und das, obwohl sich am Ende doch zeigt, dass alle Novellen miteinander in Zusammenhang stehen, auch wenn dieser sich eher als Rattenschwanz hinterherzieht.
Sehen wir einmal davon ab, dass mir sämtliche Charaktere unsympathisch waren und es mir eigentlich herzlich egal war, welche Wendung das Schicksal für sie bereithielt, so fehlten mir in diesem Buch einfach die Hintergrundinformationen. Eine Organisation, deren einziges Bestreben eine neue Weltordnung und rechtschaffene Selbstjustiz darstellt, hätte meiner Ansicht nach gut beleuchtet werden können. Das funktioniert auch in Kurzgeschichten prima, nur dann nicht, wenn man jegliche Möglichkeit der Information abkürzt und den Leser sich selbst überlässt.
Fazit
Die Idee der zusammenhängenden Novellen fand ich gut. Auch die Organisation, die scheinbar alle drei Geschichten zusammenhält, hätte eine gute Grundlage abgegeben, jedoch fehlen eindeutig Hintergrundinformationen (und sympathischere Charaktere), um tatsächlich an der eigenen Denkweise zu rütteln, und vor allem um im Gedächtnis zu bleiben.