Pierre Péju
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Pierre Péju
Die kleine Kartäuserin
Schlaf nun selig und süß
Coeur de pierre
La Petite Chartreuse : Prix du Livre Inter 2003
Neue Rezensionen zu Pierre Péju
Rezension zu "Die kleine Kartäuserin" von Pierre Péju
Das Buch "Die kleine Kartäuserin" von Pierre Péju erzählt die Geschichte, wie der Buchhändler Etienne Vollard und die kleine Eva aufeinander treffen und wie sehr sie das Leben des anderen beeinflussen.
Eva wartet nach der Schule auf ihre Mutter, die wiederholt nicht pünktlich zur Stelle ist, um die Kleine abzuholen. Sie kann sich nicht um ihre Tochter kümmern, eine stetige Unruhe begleitet sie und zwingt sie, den ganzen Tag zu reisen - entweder mit dem Auto oder mit dem Zug. Ihr einziger Begleiter ist ein Notizblock, auf denen sie immer wieder Wörter und Gedanken festhält.
Der Buchhändler Etienne Vollard ist mit seinem LKW unterwegs - er handelt mit neuen und gebrauchten Büchern - als es zu dem Zusammenstoß kommen sollte, der alles verändert.
Es regnet, Eva beginnt zu Rennen und sieht nicht mehr nach links und rechts - sie will nur nach Hause und zu ihrer Mutter, die zeitgleich mit dem Auto auf dem Weg zur Schule ist. Sie weiß, dass sie viel zu spät ist und hofft, dass Eva gewartet hat, wie immer.
Eva rennt auf die Straße und wird von Etiennes LKW erfasst. Sie rannte ihm direkt ins Auto, er konnte den Zusammenstoß nicht verhindern. Das Mädchen liegt im Koma - Etienne macht sich auf dem Weg zu dem Kind und besucht es fortan regelmäßig. Er liest ihr vor und sitzt am Krankenbett - so auch als die Kleine erwacht und endlich die Augen aufschlägt...
"Die kleine Kartäuserin" von Pierre Péju ist ein Roman, der den Leser zum Nachdenken anregt. Der Roman, der eine relativ kleine Sequenz beschreibt, führt drei einsame Menschen zusammen, die einen kleinen Lebensabschnitt gemeinsam gehen werden. Das Debüt ist dem Autor wirklich geglückt - sprachgewaltig, unerwartet und anders als erwartet.
Mich hat das Buch nach dem Lesen noch längere Zeit beschäftigt und begleitet. Es hat mich einfach nicht losgelassen - auch die Rezension konnte ich erst nach ein paar Tagen verfassen, nach dem die Eindrücke etwas abgesackt sind. Es ist in 3 Teile eingeteilt, im zweiten Teil berichtet ein ehemaliger Mitschüler von Etienne über dessen Kindheit und man beginnt den kautzigen Buchhändler zu verstehen.
Eine klare Leseempfehlung!
Rezension zu "Die kleine Kartäuserin" von Pierre Péju
"Ein großer Roman über das Leben, den Tod und die Kraft der Literatur" zitiert der Buchdeckel eine Pressestimme. Noch eine: "Dieses Buch ist eine Hommage an die Literatur und an den Buchhändler.", befindet Le Figaro. Und beide lügen. Führen in die Irre. Oder haben das Buch nicht verstanden - und ich weiß nicht, welche der drei Möglichkeiten der Deutung ich schlimmer finde.
Es ist eine simple Geschichte, die dieser 2002 in Frankreich erschienene Roman erzählt: Ein beleibter Buchhändler fährt mit seinem Transporter voller Bücher an einem regnerischen Novembernachmittag ein kleines Mädchen an, das in Panik auf die Straße lief, nachdem seine Mutter es nicht von der Schule abgeholt hat. Was folgt ist ein anscheinend wochenlanges Koma und eine detailgetreue Beobachtung des Autors, wie die beiden unverschuldet Verantwortlichen, der Buchhändler Vollard und die Mutter Thérèse, nicht nur damit umgehen, sondern mit ihrem Leben selber.
Ein Buch über Einsamkeit ist es und ganz und gar nicht über die "Kraft der Literatur". Die Literatur selber ist hier auch die Einsamkeit, in die/der sich Vollard versenkt seit er ein Kind ist, und auch während er in der Schule gehänselt wird, während im Studium in Paris der revolutionäre Frühling 1968 tobt und während täglich die Nacht hereinbricht über Vollard und ihn schlaflos sein lässt. Man fragt sich, ob es ein Lesen aus Begeisterung ist oder aus Verzweiflung. Aus Langeweile oder Alternativlosigkeit. In einem einzigen Moment glaubt man, die Einsamkeit bräche auf und Worte könnten doch noch heilen: Als das Kind Eva schließlich aus dem Koma erwacht. Doch auch das ist nur einer von vielen Trugschlüssen, die das Leben als Fallen bereithält. Eva bleibt stumm. Ein weiterer Trugschluss ist der, dass Vollard sich von diesen erdrückenden Texten, die er auswendig kennt und die für ihn sprechen, befreien könne, indem er ist wie alle und sich etwa an einem Bungeesprung versucht. Vergebens.
Die Einsamkeit ist eine Krankheit, die nicht immer heilbar ist. Hier erleben wir sie als unheilbar. Sowohl für Vollard als auch für die Kindesmutter Thérèse, die sich Eva nicht gewünscht hat, die sich zwingen muss, mütterlich zu sein, die es als Prüfung sieht und gleichzeitig als Hinderung auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit, die sich so sehr wünscht. Umherfahren in der Gegend, bedeutungslose Gespräche mit Menschen führen und sinnentleerte Sätze aufschreiben als Resultat aus absurden Beobachtungen der Umwelt.
Es ist ein sehr trauriges Buch, das die Protagonisten zu Lesern statt Akteuren ihres eigenen Lebens wie zu Lesern fremder Leben macht, sie einsperrt in Worten und Lebensumständen und schließlich auch im Schweigen. Die zitierte "Kraft der Literatur" kommt hier also gar nicht gut weg, im Gegenteil, sie wirkt zerstörerisch. Wo Worte anderswo heilen können, so scheinen sie hier zu zerstören. Ganz recht, dass Vollard das Ende findet, das er schließlich selber sucht und das hier natürlich nicht verraten werden soll.
Aber ein trauriges Buch ist kein schlechtes. Es ist geradezu magisch geschrieben, mit großem Einfallsreichtum, detailliert und nah und ohne zu erklären. Der Autor kann meisterhaft mit Worten umgehen und hat einen Blick für die Umwelt, die er oft überraschend interpretiert und so ganz neue Perspektiven öffnet. Und er kann ja nichts dafür, wenn sein Buch irgendwie falsch verstanden worden ist. Auch wenn ich dann doch auf ein bisschen mehr Hoffnung gehofft hatte. Stattdessen habe ich Tränen vergossen, an zwei verregneten Nachmittagen.
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