Achtung dieses Review könnte eventuell Spoiler enthalten die eine kleine Gruppe von Personen triggern könnte die dann laut rumschreien. Solltest du dazu gehören wurdest du gewarnt nicht weiterzulesen.
Eine Warnung: Dies wird ein langes Review da ich viel zu sagen habe und viel zu reflektieren. Ihr braucht also ein wenig Zeit und Geduld.
Luna gerät durch eine Dummheit mit dem Gesetz in Konflikt. Als dann auch noch Jes zur Schlachtung auserwählt wird, überdenkt Luna ihr Leben und geht zum Militär. Dort ist sie so erfolgreich das sie zum Teil einer Spezialeinheit wird. Als Luna dann in den Schlachthöfen eingesetzt wird und mit der Realität konfrontiert wird muss sie eine Entscheidung treffen…
Man muss Luna einfach mögen. Diese ist im Grunde noch ein Kind das schneller Erwachsen werden muss als ihr lieb ist. Die erste Dosis Realität bekommt Luna als sie eine Dummheit begeht die sie mit der Justiz in Konflikt gerät. Die zweite Dosis gibt es als Jes zur Schlachtung auserwählt wird. Der Autor nutzt diese 2 Ausgangspunkte um einen sehr komplexen und vielschichtigen Charakter zu schaffen. Lunas ganze Entwicklung beginnt mit diesen 2 Ereignissen.
Luna liebt das Risiko, sie hat eine dunkle Seite aber immer noch diesen Funken Menschlichkeit. Im Militär kann Luna ihre dunkle Seite ausleben, aber gleichzeitig entbrennt ein innerer Konflikt über Richtig und Falsch. Luna muss sich mit der Realität auseinandersetzen, mit ihrer Verantwortung und ihrem Patriotismus. Ihr Weltbild wird hinterfragt und die Entscheidungen die sie getroffen hat. Es gibt kein Schwarz und Weiß, alles hat Konsequenzen und manche davon sind bitter.
Die Nebenfiguren sind gut ausgearbeitet und es gibt einige Querverweise und Weiterentwicklungen zum Vorgänger. Dazu gehört auch das Treffen mit alten Bekannten. Um die Alle zu finden müsste man beide Bücher nebeneinander lesen und sich ordentlich Notizen machen. Der Autor nimmt was er im Vorgänger aufgebaut hat und entwickelt es logisch sowie konsequent weiter.
Wir können nicht nur einen Blick auf das Justizsystem erhaschen (Das den Kuschelkurs abgeschafft hat), sondern auch auf die militärische Maschine im Hintergrund kombiniert mit ein wenig Geschichtsunterricht der das World Building veredelt. Der Autor fügt hier eine Welt zusammen über die er sich wirklich Gedanken gemacht hat und die ein Alptraum gewesen sein muss zu entwerfen.
Die Geschichte selbst ist gradlinig und doch schafft es der Autor extreme Spannung zu erzeugen und diese mit hartem Sex und ausufernder Gewalt zu kombinieren. Der Kniff der mir wirklich gefallen hat war das wir Teil 1 aus einer anderen Sichtweise kennen lernen, zumindest Fragmente davon. Und diese Fragmente fügen sich nahtlos ein. Ebenso wenn es in den Schlachthof geht. Vorher sahen wir Alles aus der Perspektive von Jes, jetzt lernen wir die Tötungsmaschine von innen heraus kennen.
Und Holy Fuck. Die unappetitliche Szene mit den Fröschen war ein erster makaberer Höhepunkt. Doch was dann im Schlachthof abgeht ist, wie im Erstling, echt harter Tobak. Und der Autor findet eine unangenehm passende Sprachwahl für das was passiert. Neu ist eine gewisse kühle Distanz zu dem was passiert was die Sache noch schockierender macht. Hoch anrechnen muss ich das die Gewalt wie im Vorgänger nicht einfach nur da ist. Sie dient dazu Luna zu entwickeln und eine Entscheidung treffen zu lassen. Doch wer denkt das der Autor damit Alles verschossen hat irrt sich gewaltig, er fängt gerade erst an.
Lunas Entscheidung hat Konsequenzen, sowohl für sich als auch ihre Familie und den Menschen denen sie nahesteht. In dem Moment wo ihr Martyrium beginnt schraubt der Autor die Ungerechtigkeit und den Sadismus in ungeahnte Höhen. Es ist unbequem zu lesen, geradezu schmerzhaft. Es geht unter die Haut und man leidet mit. Aber der Autor gönnt einem kein Erwachen, kein Durchatmen. Er muss da durch wie es Luna muss. Er flechtet zwar eine Nebenhandlung ein, damit der Leser kurz abgelenkt wird bevor er diesem noch heftiger in den Magen schlägt.
Persönliche Anmerkung: Sogar ich musste Lesepausen einlegen und ich hab im Horror Bereich wirklich fast Alles gesehen. Ich dachte ich bin resistent und Nichts könnte mich mehr schocken. Doch dieser Roman steht, für mich, auf einer Stufe mit Cannibal Holocaust. Ein Film der tief unter die Haut geht, den man nie vergisst und den Leser zwingt sein Weltbild zu überdenken. Wer ihn gesehen hat wird ihn nie wieder in seinem Leben vergessen. Und genauso verhält es sich mit USA 2085. Ihr werdet es nie mehr vergessen.
Das Martyrium dürfte dann auch der Punkt sein wo viele Leser aufhören werden, einige dürften schon beim Schlachthof aufgegeben haben. Dieses Buch ist unbequem und erreicht ungeahnte blutige Höhen. Das Allein wäre nicht schlimm, aber der Autor schafft es erneut das die Gewalt nie verhallt sondern sich festsetzt und den Leser selbst in Mitleidenschaft zieht. Das wird zum Einen durch Luna erreicht dank hervorragendem Aufbau des Charakters und zum Anderen durch das World Building das dieses sadistische und kalte System hervorgebracht hat. Ich ziehe meinen Hut, das hier ist großes Kopfkino das den Leser zwingt (Auf die gute Art.) sich mit dem Ganzen auseinanderzusetzen.
Das Ende erdet dann den Leser in einem doch recht zahmen aber pornografischen Finale wo die Geschichte dann zu einem befriedigenden Ende kommt. Aber selbst da gibt es noch einen kleinen Fingerzeig auf Scheinheiligkeit und eine bittere Erkenntnis wird mit auf den Weg gegeben.
USA 2085 ist ein brutales und schonungsloses Meisterwerk geworden das alle Erwartungen erfüllt und sogar übertrifft. Es überflügelt den ersten Teil und lässt den Leser verstört zurück.
Lesen und glücklich werden.