Rezension zu "Wir zwei und der Himmel dazwischen" von Polly Dugan
FÜNF MENSCHEN UND EIN TODESFALL...
Leo ist Feuerwehrmann von Beruf und weiß um die täglichen Gefahren. Da er ein treusorgender Ehemann und Vater ist, möchte er seine Familie versorgt wissen, wenn ihm tatsächlich einmal etwas zustoßen sollte. So schließt er nicht nur eine Lebensversicherung ab, sondern ringt seinem besten Freund Garrett, den er schon aus Kindertagen kennt, ein Versprechen ab. Er lässt ihn in einer alkoholschwangeren Silvesternacht eine Vereinbarung unterschreiben, in der Garrett sich verpflichtet, Leos Frau Audrey zu heiraten und sich auch um seine drei Söhne zu kümmern, sollte Leo tatsächlich einmal sterben. Natürlich denkt niemand wirklich, dass Leo ernsthaft etwas zustoßen könnte, doch aus irgendeinem Grund hebt Garrett den zerknitterten Zettel mit der Vereinbarung jahrelang auf.
Zwölf Jahre nach dieser Silvesternacht stirbt Leo jedoch tatsächlich. Nicht bei einem Einsatz der Feuerwehr, was vielleicht naheliegend gewesen wäre, sondern bei einem Skiunfall, den er trotz eines Helms nicht überlebt. Audrey und ihre drei Söhne Chris, Brian und Andrew fallen in ein tiefes Loch, und nichts ist mehr wie zuvor. Garrett fährt nicht nur zur Beerdigung seines besten Freundes, sondern kündigt gleich Job und Wohnung, um den Hinterbliebenen zur Seite zu stehen. Natürlich denkt er nicht wirklich daran, die damalige Vereinbarung in die Tat umzusetzen, doch will er bleiben, bis er den von Leo begonnenen Anbau am Haus beendet hat - Leos Vermächtnis. Und Audrey und die Kinder genießen die Anwesenheit des Freundes, der anpacken kann, der zuhört, unterstützt, Ratschläge gibt, einfach nur da ist. Und ganz allmählich wird aus der Freundschaft zwischen Audrey und Garrett mehr, zart erst, doch dann immer stärker, bis beide sich eingestehen müssen, dass sie ineinander verliebt sind. Doch darf das wirklich sein?
Keine kitschige Liebesgeschichte hat Polly Dugan hier in ihrem ersten Roman geschrieben, so viel erst einmal vorweg. Doch Gefühle gibt es hier reichlich - anfangs vor allem Schock, Trauer und Wut über den Tod Leos. Durch die ständig wechselnde Perspektive von Audrey und Garrett, sowie auch von den drei Söhnen Chris, Brian und Andrew, erfährt der Leser sehr authentisch von der Gefühls- und Gedankenwelt aller Beteiligten, denn jeder geht auf seine Weise mit dem großen Verlust um. Mich konnten diese Passagen emotional sehr berühren, und auch die oft hilflosen, teilweise sogar vor den Kopf stoßenden Reaktionen der Umwelt fand ich sehr glaubhaft geschildert. Doch auch die folgende Entwicklung, in der sich Audrey und Garrett einander annähern, empfand ich keinesfalls als überzogen. Zweifel, Schuldgefühle, Unsicherheit - diese Gefühle begleiten die wachsende Liebe, und auch dies war in meinen Augen sehr realistisch geschildert.
Überhaupt habe ich selten erlebt, dass Perspektivwechsel in einem Roman so gut ineinandergreifen wie hier und dabei Rückblicke sowie die Chronologie der Geschichte geschickt miteinander verzahnen, so dass ein umfassendes Bild entsteht. Geschichte, Aufbau und der flüssige, eingängige Schreibstil haben mich sehr für das Buch eingenommen, ebenso wie das emotionale Mitschwingen.
Die Hauptcharaktere sind durchweg sympathisch, dabei allerdings ein wenig zu sehr glattgeschliffen. Sie weisen kaum Ecken und Kanten auf, negative Verhaltensweisen gibt es nur phasenweise und sind dabei v.a. der Trauerverarbeitung geschuldet, ansonsten sind sie nahezu perfekt. Bilderbuchfamilie - und damit in meinen Augen eben typisch amerikanisch.
Aber bis auf diesen kleinen Kritikpunkt konnte mich das Debüt von Polly Dugan wirklich überzeugen, und selbst der sehr kurz gehaltene und plötzliche Schluss der Geschichte war nach kurzem Staunen wirklich passend in meinen Augen.
© Parden