Pyun Hye-young

 4 Sterne bei 27 Bewertungen
Autorin von Der Riss.

Lebenslauf

Seouls literarischer Shootingstar: Die südkoreanische Schriftstellerin Pyun Hye-Young ist 1972 in Seoul geboren worden. Sie studierte Kreatives Schreiben und koreanische Sprache und Literatur und machte insgesamt drei universitäre Abschlüsse. Danach arbeitete sie einige Zeit im Büro, bevor sie im Jahr 2000 ihre erste Kurzgeschichte, „Tau abklopfen“, veröffentlichte, und damit beim Frühjahrsliteraturwettbewerb der Zeitung Seoul Shinmun gewann.

Hye-Youngs Werk erregt weltweit das Aufsehen von Kritikern und wird durch seinen subversiven und grotesken Stil häufig mit dem Murakamis oder Kafkas verglichen. Es wurde zudem mit mehreren renommierten Literaturpreisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Yi-sang Preis 2014.

In ihren Geschichten erscheinen immer wieder Bilder aus dem Leben der Autorin, beispielsweise spielen Büroarbeiter häufig eine Rolle. Mehrere ihrer Bücher wurden unter anderem ins Englische und Französische übersetzt. Die erste deutsche Übersetzung, „Der Riss“, erschien 2019.

Die Autorin lebt weiterhin in ihrer Heimatstadt, der südkoreanischen Hauptstadt Seoul.

Alle Bücher von Pyun Hye-young

Cover des Buches Der Riss (ISBN: 9783442757718)

Der Riss

(27)
Erschienen am 22.04.2019

Neue Rezensionen zu Pyun Hye-young

Cover des Buches Der Riss (ISBN: 9783442757718)
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Rezension zu "Der Riss" von Pyun Hye-young

GAIA
Gefangen im eigenen Körper

In diesem beklemmenden Werk zieht uns die südkoreanische Autorin Hye-Young Pyun ins Innere ihres Protagonisten Ogi. Durch einen schweren Verkehrsunfall, bei welchem seine Ehefrau stirbt, wird der Geografie-Professor Ogi zum Gefangenen seines eigenen Körpers. Er kann sich nicht mehr bewegen und aufgrund schwerer Verletzungen des Kieferbereichs in keiner Weise mehr artikulieren. Allein durch den Lidschlag kann er Fragen mit Ja oder Nein beantworten. Nach Monaten des Krankenhausaufenthaltes holt ihn seine Schwiegermutter und einzige Verwandte nach Hause, welche selbst noch mit der Trauer um ihre verstorbene Tochter zu kämpfen hat. Auf sich selbst zurückgeworfen beginnt Ogi sein Leben und vor allem seine Ehe Revue passieren zu lassen und eigene Schuldgefühle zu durchleben. Gleichzeitig registriert er das immer merkwürdiger werdende Verhalten seiner Schwiegermutter und ist ihr letztlich vollständig ohnmächtig ausgeliefert.

Nach einer anfänglichen Anlaufphase entwickelt sich dieses dünne Büchlein von 224 Seiten schnell in einen echten Psychothriller. Gekonnt schafft es Hye-Young Pyun die unglaubliche Hilflosigkeit des Protagonisten zu schildern, von welcher die Lesenden angesteckt werden, und eine fast erdrückende Beklemmung beim Lesen aufkommen zu lassen. Einen meines Erachtens nennenswerten Anteil hat hieran sicherlich auch die hervorragende Übersetzung von Ki-Hyang Lee, welche schon Han Kang oder auch das in 2021 erschienene "Kim Jiyoung, geboren 1982" von Nam-Joo Cho übersetzte. 

Dass sich aus einem so dezent aber wunderschön gestaltetem Buch eine solche Alptraumgeschichte herausbilden könnte, habe ich nicht erwartet. Allein das Ende des Buches ist dann wenig nachvollziehbar geraten. Obwohl mich Hye-Young Pyun mit in diesen "Riss" hinunter ziehen konnte, hat sie mich ganz zum Schluss noch auf dem Weg nach unten etwas verloren. So verpuffte der mit tatsächlichem Herzrasen begleitete psychologische Effekt des Romans bei mir mit den letzten Sätzen. 

Trotzdem handelt es sich hierbei um ein definitiv lesenswertes Buch und damit einen Grund, die Autorin weiterhin bezüglich zukünftiger Veröffentlichungen im Blick zu behalten.

Cover des Buches Der Riss (ISBN: 9783442757718)
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Rezension zu "Der Riss" von Pyun Hye-young

ulrikerabe
Unter dem Riss!

Ogi ist ein absolut durchschnittlicher Mann Mitte 40. Nach dem Studium der Geografie hat er eine Fixanstellung an der Universität erhalten. Seine rau wollte eigentlich Journalistin werden, kümmert sich nun aber immer mehr um Haus und Garten. Bei einer Fahrt in den Urlaub, von dem nur Ogis Frau das Ziel kennt, verursacht er einen Unfall, den Ogis Frau nicht überlebt.   Er selbst erlitt schwere Verletzungen, wird zum Pflegefall. Ogis Schwiegermutter übernimmt die Betreuung, doch dies nicht ohne Hintergedanken.

„Wie kann sich ein Leben von einer Sekunde auf die nächste so dramatisch verändern? Wie fällt es auseinander, bekommt einen Riss, wie schrumpft es einfach zusammen, bis es sich im Nichts auflöst?“

Ogis Leben erleidet einen solchen Riss. Vor dem Unfall war sein Leben nicht spektakulär. Nun als er unfähig ist, sich zu bewegen und zu artikulieren, beginnt er Resümee zu ziehen, über sein Leben, seine Ehe. Dabei ist er seiner Umwelt ausgeliefert. Die Schwiegermutter, die zunächst von der Trauer um ihre Tochter gezeichnet wird, verhält sich immer seltsamer. Die alte Frau wird übergriffig, beschämt den Patienten vor seinen seltenen Besuchern, schottet Ogi immer mehr von der Außenwelt ab. Die meiste Zeit verbringt die Schwiegermutter damit, den nach dem Tod von Ogis Frau verwilderten Garten wieder in Stand zu setzen.

Die südkoreanische Autorin Pyun Hye-young beschreibt in ihrem Roman „Der Riss“ nicht nur  ein aufreibendes Spiel von Macht und Ohnmacht, erzählt nicht nur vom Angriff auf die Selbstbestimmung und Würde eines Kranken, sondern da gibt es noch etwas mehr, etwas Böses und Obsessives in dieser Geschichte. 

Und wie so oft bei asiatischer Literatur, wirkt die Sprache und Haltung gefühlsarm und lapidar. Wie mit einer Teflonschicht bedeckt, an der alles abfließt, wirkt der Stil. Doch wenn man nur ein bisschen an dieser schützenden Oberfläche kratzt, kommt etwas ziemlich Ungesundes zum Vorschein, das ein ganz subtil ungutes, beklemmendes Gefühl hervorruft. Unter dem Riss, der sich in Ogis Leben auftut, birgt ganz viel menschlich Abgründiges, das noch eine Weile nach dem Lesen vor sich hin brodelt.


Cover des Buches Der Riss (ISBN: 9783442757718)
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Rezension zu "Der Riss" von Pyun Hye-young

herrzett
Ein Abgrund zwischen Leben und Sein

"Der Riss" von Hye-Young Pyun hat sich für mich als ein sehr spezielles, kurzweiliges Gedankenexperiment herausgestellt. Der Protagonist dieser Geschichte ist schuld an einem Autounfall. Mitten im Streit reißt Ogi das Lenkrad herum und tötet dadurch seine Frau. Zumindest dämmert es ihm nach einiger Zeit, denn er wacht eines Tages im Krankenhaus auf und kann sich nicht mehr bewegen. Er ist gefangen in seinem Körper und nur noch seine Augen bilden eine Verbindung zur Außenwelt. Er hört die Stimmen um sich herum, deutet, macht sich Gedanken und Vorwürfe. Angehörige hat er keine mehr. Seine Frau war alles, seine einzige Bezugsperson. Nach zahlreichen Besuchen seiner Schwiegermutter nimmt diese Ogi mit nach Hause. Auch für sie war ihre Tochter alles was sie noch hatte, aber jetzt? Jetzt ist da nur noch Ogi. Zuhause bekommt er dann sein eigenes Zimmer, aber auch hier bleibt er an das Bett gefesselt und ist auf Pflegerinnen und Therapeuten angewiesen. Pyun schildert Ogis Gedanken und Eindrücke, bewegende Ereignisse zwischen Einsamkeit, Verständnis und Entwurzelung. Und während wir Ogi so mit jeder Seite näher kommen, gräbt seine Schwiegermutter wie besessen Löcher im Garten, spart Kosten ein und kümmert sich immer weniger um ihn. Was hat sie vor? Ist es das was man denkt?

"Welchen Wunsch hege ich noch? Natürlich wünsche ich mir, was meine Tochter sich gewünscht hat. Also tue ich alles, damit sich dieser Wunsch erfüllt. Alles, was meine Tochter nicht mehr tun konnte. Was sie tun wollte. Ich muss es für sie tun. Und das werde ich. Du weißt ja, sie war alles, was ich hatte."

Also dass Koreaner etwas spezieller sind, kann man sich vielleicht bereits denken. "Der Riss" hat es dann irgendwie noch einmal weiter getrieben. Es ist diese klaustrophobische Bedrücktheit, die diesen Roman ausmacht. Ogi, eingesperrt in sich selbst und allem um ihn herum unterlegen. Hye-Young Pyun beschreibt einen düsteren Alptraum voller Melancholie, Hoffnung und Unverständnis. Und das ist es dann auch, einen beim Lesen gedanklich packt, aber teilweise nur oberflächlich berührt. Ogis Geschichte ist sehr beängstigend und das Ende des Romans dann so abstrus, dass es für mich sehr schwer ist die richtigen Worte zu finden.  Mir hat da einiges an Inhalten, Handlung und Menschlichkeit gefehlt, vielleicht hätten dem Ganzen auch noch einige Seiten mehr ganz gut getan um den Kampf zurück ins Leben, die Rückschläge, die Aufgabe detaillierter herauszuarbeiten. Pyun  hat recht viel Gedankliches angeschnitten, oftmals jedoch durch einzelne Ereignisse unterbrochen, die dann zwar etwas Handlung mit ins Spiel bringen, aber stellenweise eher bedeutungslos sind. Und das Ende war für mich dann auch etwas überraschend, allerdings eher fraglich, als wirklich gut. Ich weiß nicht, ich bin nicht wirklich zufrieden. Es ist ein 'nettes' Buch für Zwischendurch, aber leider auch nicht mehr.

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