Ein ranghohes Parteimitglied wird tot aufgefunden, Unruhe bricht unter den alten Weggefährten aus und Inspector Chen ist mittendrin. An sich ist "Death of a Red Heroine" kein ausgefuchster und unglaublich komplizierter Krimi und die Ermittlungen in den verschiedenen Gesellschaftsschichten von Shanghai kommen auch eher schleppend voran. Aber trotzdem packt einen dieser Serienauftakt rund um den chinesischen Inspektor. Das liegt vor allem an der Figur von Chen selbst. Natürlich ist Chen selbst auch Parteimitglied, aber dennoch sind seine Ansichten und Methoden nicht immer auf einer Linie mit der Doktrin. Das führt natürlich dazu, dass auch sein Privatleben von den Ermittlungen betroffen ist.
Qiu Xialong lässt den Inspector durch Shanghai laufen, fahren und rennen, dabei hat er immer noch viel Zeit, seinen kulinarischen Gelüsten nachzukommen und wir als Leser*innen erfahren Nützliches und Interessantes aus dem chinesischen Alltag zwischen Turbokapitalismus und Kommunistischer Partei. Da das Mordopfer schon im fortgeschrittenen Alter war, kommt noch eine ganze Packung Geschichtswissen dazu. Diese Aspekte sind es auch, die "Death of a Red Heroine" von einem mittelmäßigen Krimi in ein wirklich vergnügliches Buch verwandeln, für das ich gern eine Leseempfehlung aussprechen kann.
Qiu Xiaolong
Alle Bücher von Qiu Xiaolong
Shanghai
Rote Ratten
Death of a Red Heroine
The Mao Case
A Case of Two Cities
When Red is Black
Neue Rezensionen zu Qiu Xiaolong
Inspector Chen auf der Suche nach Mao
Ein Minister aus Peking bittet Inspector Chen um Beistand. Es sind Bücher über Mao und die Kulturrevolution erschienen und die Kader befürchten schlimmere Veröffentlichungen, die das Bild Maos beschädigen könnten. Das ist natürlich ein brisantes Unterfangen, schließlich könnte auch Chens Bild beschädigt werden. Um seine eigenen Mitarbeiter nicht zu gefährden, macht er sich fast schon heimlich daran nachzuforschen. Da gab es zum Beispiel Maos Geliebte Shang, die vor Jahrzehnten unter ungewöhnlichen Umständen starb, und deren Tochter, die bei einem Unfall umkam. Übrig blieb nur die Enkelin Jiao, heute eine junge Frau, die plötzlich zu Reichtum gekommen ist.
Bei den Büchern um Inspector Chen handelt es sich natürlich wieder um eine Reihe, um diesen Kommissar im Shanghai Mitte der 1990er. Wie immer versucht Chen auch in diesem Buch sich konform zu verhalten, sich seine Karriere nicht zu verbauen und trotzdem seinen Prinzipien treu zu bleiben. Das macht er meist zur Freude seiner Leser ganz hervorragend und gerade in diesem Band besonders gelungen. Für mit der chinesischen Geschichte nicht so bewanderten Leser wie mich bietet dieses Buch zudem noch einen interessanten Einblick in das Leben und Privatleben Maos. Die Balance zwischen Kriminalfall und Geschichtsstunde ist ausgesprochen gelungen, so dass das Buch nie langweilig wird. Die Phantasie Chens wird durch die Ermittlungen bis aufs Äußerste angeregt, um im Finale eine sehr unerwartete Wendung zu erfahren, die nicht nur den Kommissar erstaunt zurücklässt.
Nach der Lektüre sowohl deutscher Übersetzungen der Reihe als auch der englischen Versionen (der Autor lebt in Amerika, ich weiß allerdings nicht, ob er im Original auf Englisch schreibt), kann ich eindeutig sagen, die englischen Fassungen gefallen mir wesentlich besser.
Zuerst sieht es aus, wie ein ganz normaler Mordfall als unweit von Shanghai in einem Kanal eine Frauenleiche gefunden wird. Schon bald jedoch stellt sich heraus, dass es Chefinspekto Chen und sein Assistent Yu mit einem äusserst brisanten Fall zu tun haben, der weitreichende politische Konsequenzen nach sich ziehen kann. Es handelt sich bei der Getöteten nämlich um Guan Hongying eine bekannte „national model workerin“ und hohes Parteimitglied handelt.
Im Laufe ihrer Ermittlungen, stossen Chen und Yu auf einige Geheimnisse im Leben Guans. So rückt schon bald der Sohn eines hohen Parteifunktionärs, Wu Xiaoming, mit dem Guan offensichtlich eine Affäre hatte, in den Mittelpunkt der Ermittlungen. Scheinbar hat dieser, obwohl verheiratet, ein höchst ausschweifendes, luxuriöses Leben geführt, geprägt von zahllosen Affären und Partys.
Eine Entwicklung, von höchster politischer Sprengkraft, schliesslich befinden wir uns im Jahr 1990, ein Jahr nach den Geschehnissen auf dem Tiananmen-Platz, keinem guten Zeitpunkt, um den Sohn eines hohen Kaderagehörigen wegen eines Mordes an seiner Geliebten anzuklagen, zudem dessen ausschweifender Lebensstil in einem eventuellen Prozess an die Öffentlichkeit käme. Eine Entwicklung, die Chefinspektor Chen schliesslich beinahe seine Karriere kostet und seinen Glauben in die kommunistische Partei und das dadurch geschaffene gesellschaftliche System Chinas zutiefst erschüttert.
Trotz der vielen Verweise auf den politischen Hintergrund der Handlung im China von 1990, handelt es sich bei dem Buch um einen sehr typischen Krimi. Äusserst präzise und beinahe schon drehbuchhaft beschreibt der Autor jedes Detail der Ermittlungen. Um den Leser bei der Stange zu halten, vergisst er dabei auch nicht, immer wieder Ausschnitte aus dem Privatleben der Hauptpersonen, deren Lebensgeschichte und Hintergrund einfliessen zu lassen. Indem er Chefinspektor Chen ausserdem zu einem nebenberuflichen Dichter und Schriftsteller macht, finden sich auch zahlreiche Verweise auf Gedichte und Schriften chinesischer Schriftsteller in der Erzählung, was diese noch weiter aufbläht.
Wenn man fernöstliche Krimis im amerikanischen Stil mag, einen Schreibstil bevorzugt, der nicht viel Spielraum für eigene Vorstellungskraft lässt, detailreiche Abschweifungen vom eigentlichen Thema nicht als störend empfindet und gerne anspruchslose Geschichten gespickt mit etwas oberflächlichem Wissen über chinesische Literatur und das Leben im kommunistischen China liest, dann ist man mit „Death of a red heroine“ sicher gut bedient.
Ich persönlich habe dieses Buch aus zwei Gründen gelesen. Einerseits, weil ich mir für 2011 vorgenommen habe, alle mir unbekannten Bücher unserer Bibliothek zu lesen. Andererseits, weil ich am Bücherthema der lesenden minderheit für den Monat Januar – ein Buch, in dessen Titel eine Farbe vorkommt - teilgenommen habe.
Ansonsten hätte ich es wohl nicht so bald zur Hand genommen, geschweige denn, dass ich es mir gekauft hätte.
http://me-book-bm.blogspot.com
Gespräche aus der Community
Community-Statistik
in 12 Bibliotheken
von 2 Leser*innen gefolgt