Das Buch klingt vielversprechend.
Retif de la Bretonne schildert Spaziergänge durch das nächtliche Paris. Dabei ist er ein ganz schlechter Schriftsteller, der nichts beschreiben kann, keine Ahnung von Spannungsbögen hat und auch beim Thema Handlung nicht wirklich etwas zu bieten hat. Wobei - um gerecht zu sein, Retif de la Bretonne war auch ein Vielschreiber und der Herausgeber hat uns nur einen Bruchteil seines Werkes ausgewählt (zum Glück) und so könnte mein Urteil ungerecht sen. Eigentlich rettet unser Flaneur in sehr vielen seiner Nachtspaziergänge eine Schöne in Nöten, meist mit Hilfe des Geldes einer befreundeten Marquise. Die Revolution bietet dann einige bunte Szenen, echte und verkleidete Marktfrauen, aufgespießte Köpfe und Massaker - und ja, auch das ist eher öde, wenn der Autor kein Talent hat.
Aber Retif lässt einen Ich-Erzähler schreiben, (der sich nur schlecht vom Autor trennen lässt) und der offenbat auf Schritt und Tritt sein Innerstes. Er ist fasziniert von Prostituierten, darf das als guter Bürger aber nciht zugeben und rettet sie. deshalb; er schildert ziemlich schamlos Mord und Gewalt, indigniert sich aber auch darüber, weil sich das so gehört; er weiß, dass man nicht schlecht über das Volk reden darf und hat das wohl auch verinnerlicht, aber einen Volksaufstand findet er das Letzte. Um das zusammenzubringen, haben sich eben immer auch wilde Agitatoren unter das edle und gute Volk gemischt. Sein wahrer Traum aber ist es, den Bettlern und Straßenhändllern durch Lohnsenkung Arbeit zu geben.
Alles in allem also ein echter Unsympath - aber Schurken sind nun einmal die besten Romanfiguren. Nur als Autor ist das keine ausreichende Qualifikation.