R. A. Stradling

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Cover des Buches Philip IV Government Spain 1621-65 (ISBN: 9780521530552)

Philip IV Government Spain 1621-65

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Erschienen am 21.08.2008

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Cover des Buches Philip IV Government Spain 1621-65 (ISBN: 9780521530552)
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Rezension zu "Philip IV Government Spain 1621-65" von R. A. Stradling

Andreas_Oberender
Vierzig Jahre Krieg. Philipp IV. und Spaniens Niedergang als Hegemonialmacht

Die spanischen Könige des 17. Jahrhunderts, Philipp III. (1578-1621), Philipp IV. (1605-1665) und Karl II. (1661-1700), haben seit jeher einen schlechten Ruf. In Spanien gelten sie als die "geringeren Habsburger" (los Austrias menores), als schwache Epigonen Karls V. und Philipps II., als Verkörperung des schleichenden Niedergangs, den die Monarchie im Laufe des 17. Jahrhunderts erlebte. Bis heute gibt es keine wissenschaftlichen Biographien der drei Könige. Selbst die spanische Geschichtswissenschaft behandelt Philipp III., Philipp IV. und Karl II. stiefmütterlich. Verständlich ist diese Vernachlässigung im Falle Karls II., des letzten spanischen Habsburgers. Karl II., zeitlebens geplagt von körperlichen Gebrechen und geistigen Defiziten, war ein bemitleidenswerter Kretin, das traurige Produkt zahlreicher Verwandtenehen, die die beiden habsburgischen Linien über Generationen hinweg geschlossen hatten. Auch Philipp III., als Mensch und Herrscher gleichermaßen farblos, bietet Historikern wenig Anreiz für eine umfassende biographische Würdigung. Ganz anders verhält es sich mit Philipp IV. Seine 44-jährige Herrschaft gehört zu den längsten Regierungen der spanischen Geschichte. Allein schon deshalb verdient Philipp IV. das Interesse der Wissenschaft. In Erinnerung geblieben ist dieser Habsburger vor allem als Freund der schönen Künste und Mäzen des Malers Diego Velazquez. Dass Philipp IV. auch eine nennenswerte politische Rolle gespielt haben könnte, galt lange Zeit als ausgeschlossen. Generationen spanischer und nichtspanischer Historiker waren davon überzeugt, der König sei träge und schwermütig gewesen, willensschwach und verantwortungsscheu, rückgratlos und beeinflussbar, eine Marionette seiner Minister. In älteren Darstellungen wurde gern die Legende kolportiert, Philipp IV. habe in seinem Leben nur dreimal gelacht.

Der britische Historiker Robert Stradling versucht sich mit seinem Buch an einer Widerlegung dieses Zerrbildes. Stradlings Buch ist 1988 erschienen, zwei Jahre nach John Elliotts monumentaler Biographie des Herzogs von Olivares. In den ersten zwei Jahrzehnten der Herrschaft Philipps IV. leitete Olivares als Prinzipalminister die Innen- und Außenpolitik der spanischen Monarchie. Beide Bücher sollten zusammen gelesen werden. Während Elliotts Biographie mit dem Sturz des Ministers 1643 endet, behandelt Stradling auch die zweite Hälfte der Regierung Philipps IV. Stradlings Buch ist keine konventionelle Biographie, sondern eine Studie über die Praxis königlicher Herrschaft in einer Zeit, in der Spaniens Status als europäische Hegemonialmacht zusehends erodierte. Zwei Leitmotive prägen das Buch: Die Zusammenarbeit zwischen Philipp IV. und seinen Ministern zum einen, die innen- und außenpolitischen Vorhaben der spanischen Monarchie zum anderen. Manche Aspekte, die in einer Biographie Philipps IV. breiten Raum einnehmen müssten, behandelt Stradling nur am Rande, etwa das Privatleben und die vielfältigen musischen Interessen des Königs. Stradling lässt indes keinen Zweifel daran, dass Philipp ein intelligenter, kultivierter und hochgebildeter Mann war. Er bemüht sich auch darum, das intellektuelle Koordinatensystem zu beleuchten, in dem sich Philipp bewegte. Welche Werte und Normen prägten sein Selbstverständnis und Handeln als Monarch? Als König musste Philipp IV. bestimmten Rollenbildern gerecht werden. Seine Untertanen erwarteten von ihm, dass er Karl V. und Philipp II. nacheiferte. Er sollte die Regierungsgeschäfte selbst führen, anstatt sie in die Hände eines mächtigen Prinzipalministers zu legen, wie es sein Vater, Philipp III., getan hatte.

Die ersten drei Kapitel umspannen die Jahre vom Regierungsantritt Philipps IV. bis zu Olivares' Sturz 1643. Erwartungsgemäß spielt Olivares in diesen Kapiteln die Hauptrolle. Der König war erst 16, als er auf den Thron gelangte. Die Berufung eines Prinzipalministers ließ sich kaum vermeiden. In Olivares fand Philipp den Mentor, den er brauchte. Keine andere Beziehung prägte Philipps Leben so nachhaltig wie die mehr als zwanzigjährige Zusammenarbeit mit Olivares. Auch als Erwachsener wollte Philipp IV. nicht auf die Dienste seines Favoriten verzichten, denn kein anderer Minister wäre in der Lage gewesen, die Geschicke der spanischen Monarchie so energisch und umsichtig zu lenken wie Olivares. Für Philipp IV. war Olivares ähnlich unverzichtbar wie Kardinal Richelieu für Ludwig XIII. von Frankreich. Erst die Krisen der späten 1630er und frühen 1640er Jahre erschütterten das Verhältnis zwischen Monarch und Minister so sehr, dass Philipp sich entschloss, Olivares zu entlassen. Wie Stradling immer wieder betont, kann keine Rede davon sein, dass Olivares dem König eine bestimmte Politik aufgenötigt hätte. Der junge Monarch, sein Günstling und die gesamte politische Elite waren sich darin einig, dass Spanien außenpolitisch und militärisch wieder in die Offensive gehen müsse, um seinen Rang als Hegemonialmacht zu verteidigen. Während der Herrschaft Philipps IV. befand sich die spanische Monarchie ununterbrochen im Krieg. Die Rückkehr zum totalen Krieg nach den Jahren der "Pax Hispanica" unter Philipp III. fügte der Monarchie schweren Schaden zu. Philipp IV. und Olivares hielten Spaniens Abstieg als Großmacht nicht auf, sie beschleunigten ihn. Es kam zu einer verhängnisvollen Verknüpfung von außenpolitisch-militärischen Niederlagen und innenpolitischen Krisen.

Im zweiten Teil des Buches (Kapitel 4 bis 7) untersucht Stradling die Auswirkungen des Krieges auf bestimmte Regionen der spanischen Monarchie und die Bevölkerung. Die wachsende Unzufriedenheit mit Olivares' hartem Regiment gipfelte darin, dass sich im Unglücksjahr 1640 Katalonien und Portugal, das seit 1580 mit Spanien in Personalunion verbunden war, von Madrid lossagten. Die drei letzten Kapitel sind der zweiten Hälfte der Regierung Philipps IV. gewidmet. Der König ernannte keinen neuen Prinzipalminister, nachdem er Olivares entlassen hatte. Philipp war inzwischen erfahren genug, um die Arbeit der Regierung selbst zu leiten. Aus heutiger Sicht ist es paradox und irritierend, dass Olivares' Entlassung nicht mit einer politischen Kurskorrektur einherging. Der König setzte die ruinöse Großmachtpolitik unverdrossen fort, fast bis zur völligen Erschöpfung der Monarchie. Erst 1652 war die Unterwerfung Kataloniens beendet. Die Rückeroberung Portugals scheiterte. Franzosen und Holländer brachten den spanischen Truppen demütigende Niederlagen bei. Der Westfälische Frieden von 1648 und der Pyrenäenfrieden von 1659 besiegelten Spaniens Abstieg als Hegemonialmacht. Gemessen an den ehrgeizigen Zielen, die Olivares in den 1620er Jahren formuliert hatte, war Philipp IV. gescheitert. Es ist daher befremdlich und nicht nachvollziehbar, dass Stradling den König – schon in der Einleitung! – als den "größten spanischen Habsburger" bezeichnet. Dieses Urteil ist nicht gerechtfertigt, auch wenn Stradling der Nachweis gelingt, dass Philipp IV. seine Herrscherpflichten gewissenhaft und kompetent erfüllte, vor allem nach der (verspäteten) Emanzipation von seinem Mentor. Wie Stradling zeigt, beruhte die langjährige Zusammenarbeit zwischen König und Minister auf einem grundsätzlichen Konsens in allen wichtigen Fragen der Innen- und Außenpolitik. Philipp IV. war kein willenloses Werkzeug in Olivares' Händen.

Das Buch endet ohne Zusammenfassung. Zu bedauern ist, dass einige Aspekte zu kurz kommen, die im Rahmen der Studie Aufmerksamkeit verdient gehabt hätten. Dazu gehört das Problem der imperialen Überdehnung (imperial overstretch), mit dem alle spanischen Habsburger konfrontiert waren. Auch das Verhältnis Philipps IV. zu den österreichischen Habsburgern hätte besser beleuchtet werden müssen, gerade im Zusammenhang mit der spanischen Außenpolitik. Man darf jedoch nicht vergessen, dass das Buch den Forschungsstand der 1980er Jahre widerspiegelt. Stradling stand nur eine begrenzte Zahl von Vorarbeiten zur Verfügung. Die politische Geschichte der spanischen Monarchie im 17. Jahrhundert war damals vergleichsweise schlecht erforscht, worauf Stradling in der Einleitung hinweist. Stradling hat nur einen Bruchteil der riesigen Archivbestände aus der Zeit Philipps IV. auswerten können. Seine Studie war nicht als letztes Wort zur Regierung Philipps IV. gedacht, sondern als Bestandsaufnahme, die weitere Forschungen anregen sollte. Leider hat sich bis heute kein Historiker der Aufgabe angenommen, eine umfassende Biographie Philipps IV. zu schreiben, weder in Spanien selbst noch außerhalb. Stradlings Plädoyer, die Klischees und Vorurteile der älteren Literatur zu überwinden und den vierten Habsburger auf dem spanischen Thron ernst zu nehmen, ist folgenlos geblieben. Philipp IV. zeigt ein Janus-Gesicht: Einerseits trug er tatkräftig zur kulturellen Blüte Spaniens im "Goldenen Jahrhundert" (Siglo de oro) bei, andererseits beutete er seine Untertanen rücksichtslos aus und fügte dem Finanzwesen und der Wirtschaft schwersten Schaden zu. Philipp IV. war ganz unverkennbar der Nachfahre und Erbe Maximilians I., Karls V., Philipps II. Auch er jagte dem Traum von der habsburgischen Universalmonarchie nach, auch er verschloss die Augen vor der Kluft zwischen begrenzten Ressourcen und übergroßen Aufgaben. Sein Scheitern war daher zwangsläufig. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Dezember 2016 bei Amazon gepostet)

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