Cover des Buches Lorna Doone (ISBN: 0192836277)
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Rezension zu Lorna Doone von R. D. Blackmore

Rezension zu "Lorna Doone" von R. D. Blackmore

von SiCollier vor 12 Jahren

Rezension

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SiColliervor 12 Jahren
I felt, that I was face to face with fate (however poor it may be), weal or woe, in Lorna Doone* Zum Inhalt Ende des 17. Jahrhunderts: John Ridds Vater wird von den Doones ermordet, weswegen er (etwa 12-jährig) die Schule verlassen muß. Auf dem Heimweg zur Farm beobachtet er, wie die Doones ein entführtes Mädchen in ihr Tal schaffen. Beim Fischen gerät er später versehentlich in das Gebiet der Doones und trifft dort auf ein (dieses) Mädchen, das er nie mehr vergessen wird. Und auch sie wird ihn nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Ihr Name ist Lorna Doone. Sie stammt von eben jenem Clan, der Johns Vater ermordet hat. Jahre später führt das Schicksal die beiden wieder zusammen. In einer turbulenten Umgebung und turbulenten Zeiten (Monmouth-Rebellion) müssen sie ihren Weg finden, dem nicht nur die Schranken der Konfession (Lorna ist katholisch) und der „Familienfehde“, sondern auch so manches andere Hindernis im Weg stehen. Dann gibt es da noch Carver Doone, der Lorna für sich als Frau begehrt, aus Gründen, die sich erst im Laufe des Buches vollständig enthüllen. Und so ist es ein langer Weg, den Lorna Doone, John Ridd und seine Familie zurücklegen müssen, bis die letzte Seite des Buches erreicht ist. Meine Meinung Lorna ist ein Name, der nach Erscheinen des Buches sehr häufig als Mädchenname Verwendung fand. Und, ähm, ich kann mir vorstellen, hätte ich das Buch zur, ähm, passenden Zeit gelesen, hätte möglicherweise auch meine Tochter diesen Namen bekommen. Nach der Figur eines Buches, das seit seinem ersten Erscheinen im Jahre 1869 ständig lieferbar, also niemals vergriffen, war. Und auch heute sind zahllose Ausgaben erhältlich, zumindest in englischer Sprache. Ein Roman, so fand ich es irgendwo, der bei Männern wie Frauen gleichermaßen beliebt ist und gelesen wird. Was ist es, das diesen Roman so überaus erfolgreich gemacht hat (im Gegensatz zu den anderen dreizehn Romanen Blackmores, die heute weitgehend vergessen sind)? Vielleicht, weil die Zeitgenossen Parallelen zu aktuellen Geschehnissen sahen, nämlich der Romanze zwischen Prinzessin Louise (der Tochter von Königin Victoria) und dem Marquis of Lorne. John Ridd ist zwar im Rang deutlich niedriger als der Marquis, aber die Leser sahen damals dennoch die Ähnlichkeit. Aber das würde nicht erklären, weshalb sich der Roman heute noch so großer Beliebtheit erfreut. Vielleicht wegen der gelungenen Mischung von Historie, Abenteuer und Liebesroman, die die Leser damals wie heute gleichermaßen anspricht. Wie dem auch sei: mMn völlig zurecht hat das Buch seinen Siegeszug angetreten und ich finde es äußerst schade, daß es mW nie zu einer deutschen Ausgabe gekommen ist. Blackmore schreibt sehr ausladend-ausführlich. Es ist ein langsamer Erzählstil, der so bedächtig ist wie John Ridd es von sich immer behauptet. Was passend ist, denn das Buch ist in Ich-Form geschrieben. Ein alter John Ridd erzählt von den Ereignissen seiner Jugend, und so weiß man zum einen sehr bald, daß er überleben wird (sonst könnte er nicht erzählen), zum anderen hatte ich immer wieder das Gefühl, einem Großvater (er spricht von seinen Enkeln), der gemütlich im Lehnstuhl am Kamin sitzt, zuzuhören, der Begebenheiten aus seiner Jugend erzählt, damit das Wissen nicht verloren geht. Dabei hätte ich ihn so manches mal ob seiner Nächstenliebe und Redlichkeit, auch seinem ärgsten Feind gegenüber, am liebsten durchgeschüttelt (vor allem im letzten Drittel des Buches). Wenn man so lange mit den Doones zu tun hat, sollte man wissen, wie man deren Worte und Taten zu nehmen hat. John ist dermaßen gutmütig, daß ich mich bisweilen gefragt habe, wie eine Mädchen wie Lorna sich in so einen, fast hätte ich geschrieben, Einfaltspinsel verlieben konnte. Doch wer kann Frauen schon verstehen (wie John Ridd an dieser Stelle wohl sagen würde ;-) ). Andererseits liegt darin eine der Stärken des Romans, bei dem man sich immer vergegenwärtigen sollte, in welcher Zeit er spielt. Die Weltsicht, vor allem das Rollenverständnis von Mann und Frau, ist ein ganz anderes als wir es heute gewohnt sind. Es gibt eine klare Arbeitsteilung, und Frauen haben sich um die Dinge zu kümmern, für die sie da sind, und nicht in „Männergeschäfte“ hineinzureden. Geschweige denn, etwas davon zu verstehen. Interessant in diesem Zusammenhang, daß John Ridd zwar seine Schwestern nach genau diesem Schema beurteilt, von „seiner“ Lorna jedoch eine ganz andere Meinung hat und ihr wesentlich mehr zugesteht und zutraut, als etwa seinen Schwestern. Hineinverwoben in die Handlung sind diverse historische Ereignisse und Personen, wie etwa Tom Faggus, der „Highwayman“ (= Straßenräuber) oder Richter George Jeffreys. Auch historische Ereignisse, wie die Monmouth Rebellion spielen eine Rolle, ferner etliches an lokalen Sagen und Überlieferungen. Das Buch könnte also auch gleichermaßen als „historischer Roman“ bezeichnet werden. Übrigens ist mir erst bei der Lektüre dieses Werkes aufgegangen, wie kleinteilig England gegliedert ist, und es auch dort Animositäten gibt, zwischen „Landkreisen“ aber auch „Ländern“ (um moderne - deutsche - Ausdrücke zu verwenden). Fatal wird das, wenn beim ersten Angriff auf das Doone-Valley die Milizionäre aus Devon auf die aus Somerset schießen anstatt auf die Doones. Es handelt sich also nicht, wie der Untertitel suggeriert, nur um eine reine Liebesgeschichte, sondern man erhält mE einen guten Einblick in die damalige Zeit und das Wesen der Menschen, wenn auch einer recht begrenzten Region Englands. Neben den direkten historischen Bezügen gibt es immer wieder zu solchen von (örtlichen) Legenden, Sagen, Überlieferungen. Selbst im Baedecker hieß es seinerzeit an passenden Stellen zu Exmoor: „siehe Lorna Doone“. Blackmore hat in Lorna Doone übrigens auch eigene biographische Ereignisse verarbeitet. Etwa die Schule, die John Ridd besucht, ist die nämliche auf der auch R. D. Blackmore Schüler war. Die Gegend, in welcher der Roman angesiedelt ist, ist eben jene, in welcher Blackmores Großvater Pfarrer war. Wie erwähnt, ist das Buch rein aus Sicht von John Ridd geschrieben, weswegen wir auch alles gefiltert durch seine Meinung berichtet bekommen. Das wurde in einer Konsequenz durchgehalten, wie sie mir so nur selten begegnet ist. Personen und Orte konnte ich mir gut vorstellen. Da bin ich aber etwas befangen, weil ich vor der Lektüre beide BBC-Verfilmungen, von denen die von 1976 sehr nah am Buch ist, gesehen habe und darob schon Bilder im Kopf und (beispielsweise von Emily Richards als Lorna Doone) auch den Tonfall der Sprache im Ohr hatte. Vorteilhaft erwies sich das immer dann, wenn John Fry, der Knecht von John Ridd, sprach. Der tat das nämlich im Dialekt. Da ich den vom Film im Ohr hatte, konnte ich das meiste dann verstehen. Den Stil fand ich sehr ausladend, Gedanken und Vorgänge teilweise sehr detailliert beschrieben. Eben der Zeit und dem damals langsameren Tempo entsprechend angemessen und passend. Das hat der Autor übrigens bis auf die letzte Seite durchgehalten. Nirgends hatte ich das Gefühl, „jetzt will er nur noch fertig werden“, wie man das bei heutigen Büchern immer wieder antreffen kann. Für mich persönlich war das der bisher schwierigste englische Text. Bei wenigen Büchern habe ich das Lexikon so oft bemüht wie bei diesem. Wobei das teilweise altertümliche Englisch nicht so sehr das Problem war, sondern der große aktive Wortschatz, über den Blackmore verfügte. Das sollte nun Niemandem vom Lesen abhalten, wenn man es vorher weiß, kann man sich darauf einstellen. Der Autor baut gleich zu Beginn eine Stimmungslage auf, die er bis zur letzten Seite durchhält. Großartig. Aufmerksam geworden bin ich auf Lorna Doone , weil mir das DVD-Cover der Verfilmung von 2000 so gut gefiel. Nachdem für den Film ein gleiches gilt, sah ich mir die 1976-er Fassung an und wollte dann auch das Buch lesen. Für mich der erste Ausflug zu einem englischen Klassiker. Am Ende angelangt ist verständlich, daß dieses Buch zurecht wieder und wieder aufgelegt wurde und wird, seit rund hundertfünfzig Jahren. Und daß ein Klassiker richtig, richtig gut sein kann. Ein Klassiker wie Lorna Doone. Kurzfassung John Ridd und Lorna Doone - Welten liegen zwischen ihnen, mehr Trennendes denn Verbindendes. John erzählt uns, wie das damals war, in seiner Jugend, mit den Doones, den Ridds und den Leuten des Königs. Historischer Roman, Abenteuerbuch, Liebesgeschichte. Alles in einem. Ein Buch zum immer wieder lesen. Oder: der Blick in eine vergangene Kultur, für alle Zeiten verloren. (Nach Seite 566) * = Sinngemäße Übersetzung (im Zusammenhang des Kontextes): Ich fühlte, daß ich mich im Angesicht des Schicksals befand (wie armselig das auch sein mochte), Wohl und Wehe, mit Lorna Doone. Seite 101 (Alle Seitenangaben beziehen sich auf die Wordsworth-Ausgabe)
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