Faye stolpert von einer Person in die Nächste, die wie im Monolog tiefe Einblicke in ihr Innerstes, ihre Psyche und ihre Abgründe aufzeigt. Intimer und offener, als manch einer mit seinem Therapeuten spricht. Erkenntnisse, so klar und deutlich, als hätten sie sich wie ein Wunder offenbart oder ihnen ginge jahrelange Reflexion und Aufarbeitung voraus. Sie scheint nur die Brücke zwischen menschlichen Geschichten aufzuschlagen, während sie in Interviews oder Unterhaltungen mit Kollegen und Fremden kaum oder gar nicht zu Wort kommt. Dabei sind die Geschichten ihrer Mitmenschen (größtenteils) aber keineswegs langweilig oder überheblich selbstdarstellerisch. Sie reichen von Verlustängsten, Feminismus, der Angst vor Ruhm, Literatur, Kunst, über Scheidung, (wahrscheinlich) Autismus bis hin zu tiefen Wunden und sehnlichen Wünschen.
Während man von der Hauptfigur nur Fetzen von Fetzen von Fetzen erfährt, erhält man umso tiefere Einblicke in das Leben ihrer (spontanen) Begegnungen, die einen in den Bann ziehen und fesseln. Dabei beginnen sie zumeist ganz harmlos, an der Haltestation für den Bus, während der Begrüßung durch eine bekannte Person oder einen Kollegen und driften so schnell in die Intimität ab, dass man gar nicht mehr weiß, wie es dazu kam. Und genau so abrupt und im Smalltalk endet es auch wieder, sodass man trotz sanfter und harmonischer Übergänge von einem Strudel in den nächsten Treibt, so wie die Protagonistin selbst auch.
Dabei beschreibt ihre Perspektive, ihre Funktion allein als Verbindungsglied zwischen all den Geschichten in passiver Rolle zu verharren und ohne viel Nachfragen so gravierende Dinge zu erfahren zu den Situationen, die ich nur allzu gut kenne und mich oft selbst darin wiederfinde.
Ganz große Empfehlung!
Lebenslauf von Rachel Cusk
Alle Bücher von Rachel Cusk
Die Bradshaw-Variationen
Arlington Park
Outline
In Transit
Kudos
Lebenswerk
Danach
Neue Rezensionen zu Rachel Cusk
Eleganter, kluger aber doch sehr melancholischer Roman über Beziehungen aller Art.
Rezension zu "Lebenswerk" von Rachel Cusk
2001 erschien das Essay in Großbritannien und wurde nun auch auf dem Deutschen Markt – von Eva Bonné übersetzt – herausgegeben. Damals lösten die drastischen Gefühle zwischen Zerrissenheit und Liebe der (werdenden) Mutter einen Skandal im vereinigten Königreich aus. Heute, zwei Jahrzehnte später, sorgt Regretting Motherhood immer noch für Furore, mit der es sich allerdings gut im Klappentext werben lässt: Rachel Cusk seziert ihre Erfahrungen am eigenen Leib – und das auf so ehrliche und unsentimentale Weise, dass sie damit zur "meistgehassten Schriftstellerin Großbritanniens" (The Guardian) geworden ist.
Kultiviert lässt uns Rachel Cusk am Schock des Mutterseins teilhaben und erfindet sich neu. Sie war ihrer Zeit voraus, bekommt nun die Anerkennung, die ihr autobiografisches Werk verdient. Ich habe mich persönlich und gesellschaftlich ertappt gefühlt und musste oft schmerzverzehrt schmunzeln.
Ihre Romantrilogie "Outline", "In Transit" und "Kudos", in der uns die Protagonistin durch Zuhören ihre Geschichte offenbart, kann ich ebenfalls sehr empfehlen.
Gespräche aus der Community
Zusätzliche Informationen
Rachel Cusk wurde am 08. Februar 1967 in Toronto (Kanada) geboren.