Eine herrlich unterhaltsame Lektüre bietet dieses Buch hier.
Die verwitwete Mrs Carne lebt zusammen mit ihren drei Töchtern Katrine, Deirdre und Sheil
in London. Gemeinsam haben die vier ihre eigenen Spiele und Marotten entwickelt. So leben sie in ihren Fantasiewelten regelrecht auf, wenn sie in Rollenspielen ihre fiktive Freundschaften zu Persönlichkeiten aller Art vertiefen. Als eine der Töchter auf eine ihrer fiktiven Freunde in der Realität trifft, gerät ihr Fantasiegebilde ins Wanken. Und dann kommt es bei einer Séance zu einem ganz unerwarteten Treffen mit den Brontë Schwestern. Und somit ist das Chaos perfekt.
Dieses Buch, das aus dem 30er Jahren stammt, wurde erst vor kurzem übersetzt und bietet ein überraschendes Lesevergnügen. Chaotisch, wirr, lustig und verrückt - hier bietet sich eine Geschichte wie es keine zweite gibt. Dank der großartigen Dialoge, hat man sofort das Gefühl mehr einem alten Film zu folgen, denn das Kopfkino das sich einem hier bietet ist perfekt. Wahrscheinlich würde man es selbst nicht lange mit der Familie Carne aushalten, doch diese herrlich abgedrehten Charaktere bei ihren Unternehmungen zu begleiten hat richtig viel Spaß gemacht. Hier wurde das volle Potenzial der Charaktere ausgeschöpft und wer gerne etwas erfrischend anderes lesen möchte ist hier genau richtig.
Mich hat dieses Buch völlig überrascht und komplett begeistert. Hier hat man einfach seinen Spaß. Vor allem die Charaktere bieten großen Unterhaltungswert und sind so einmalig, exzentrisch und unterhaltsam das sie Seiten nur so dahin fliegen. Einfach herrlich und bei einer etwaigen Leseflaute nur zu empfehlen.
Rachel Ferguson
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Rachel Ferguson
Die Brontës gingen zu Woolworths
Trügerische Schuld
Auf Zornes Flügeln
Neue Rezensionen zu Rachel Ferguson
“Vor drei Jahren wurde mir ein Heiratsantrag gemacht. Obgleich ich denjenigen wirklich gernhatte, konnte ich seinen Antrag nicht annehmen, denn ich war gerade in Sherlock Holmes verliebt. Der Meisterdetektiv, seine Persönlichkeit und sein Verstand weckten damals so heftige Gefühle in mir, dass kein lebender Mann damit konkurrieren konnte.” (S. 12)
Ihr werdet jetzt vielleicht sagen: Ja gut, im Zeitalter von “Bookboyfriends” (und “-girlfriends”) nichts Neues, ich war auch schon schwer verliebt in so ein fiktives Exemplar. Aber diese Worte spricht die 20-jährige Ich-Erzählerin Deirdre im Roman “Die Brontës gingen zu Woolworths” von Rachel Ferguson. Er erschien im Jahr 1931, wurde aber erst 2023 von Sabine Reinhardus für den Nagel & Kimche-Verlag ins Deutsche übersetzt. Eine wiederentdeckte Klassikerin sozusagen.
Dieser Roman ist verrückt - anders verrückt. Die Familie Carne besteht seit dem Tod des Vaters aus der Mutter, Mrs. Carne und ihren drei Töchtern Katrine, Schauspielerin, Deirdre, Journalistin und der jungen Sheil, die von einer Hauslehrerin unterrichtet wird. In ihrem Londoner Stadthaus haben sie sich ihre eigene Fantasiewelt erschaffen: Sie spielen Rollenspiele, imitieren (berühmte) Persönlichkeiten und werfen sich gegenseitig Insider-Witze zu. Sie haben sich eine fiktionale Bubble aufgebaut, die für Außenstehende schwer zu durchdringen ist. Eine der “Obsessionen” der Familienmitglieder ist der ältere, kürzlich zum Ritter geschlagene Richter Sir Herbert Toddington, den die Mutter Mrs. Carne bei Gericht kennenlernte, als sie dort als Geschworene tätig war. Die Familienmitglieder nehmen ihn als Figur in ihre fiktive Welt mit auf. Doch als sie ihn und seine Frau Mildred wirklich kennenlernen und Umgang mit ihnen pflegen, steht der von der Familie Carne selbstgesponnene Kokon aus Fiktionalität plötzlich auf dem Kopf. Und als sie bei ihrem Familienurlaub in Yorkshire im Rahmen einer Séance die Brontë-Schwestern “treffen”,
haben die Carnes plötzlich mehr Besucher:innen, als ihnen lieb ist…
Die Außenansicht auf die Familie Carne liefert die nüchterne und pflichtbewusste Hauslehrerin Agatha Martin. Sie kann mit der exzentrischen Art der Familie, für die sie arbeitet, so gar nichts anfangen und lässt sich in Briefen an die eigene Familie über deren Kapriziosität aus. Wir als Lesende sind sicher an vielen Stellen ähnlich verwundert wie die Gouvernante und froh, dass wir nicht wie Ms. Martin mit der Familie Carne zusammenleben müssen.
Das Buch ist dialoglastig, skurril, witzig und - für einen klassischen Roman - total abgedreht. Ein Text, der mich sehr überrascht und stellenweise verwirrt hat. Ein quirliges Kuddelmuddel an intertextuellen und kulturhistorischen Referenzen, das aber sicher seine moderne Leserschaft finden wird. Hat Spaß gemacht!
Titel: Die Brontës gingen zu Woolworth
Autorin: Rachel Ferguson
Verlag: Nagel und Kimche / Harper Collins
Übersetzerin: Sabine Reinhardus
Seitenanzahl: 256 Seiten
Inhalt: Die Ich-Erzählerin Deidre, ihre Schwestern Katherine und Sheil, sowie deren Mutter leben in einer Art Scheinwelt. Sie haben sich ein eigenes Umfeld gestaltet, welches so direkt nicht vorhanden ist. Demnach pflegen sie Umgang mit realen existierenden Personen, die wiederum nie auf der Bildfläche erscheinen… zumindest vorerst. Doch was passiert, wenn einer der “bekannten” Personen plötzlich stirbt oder man gar einem dieser Menschen auf einmal persönlich begegnet?! So “gehört” zum Bekanntenkreis der Frauen unter anderem der Richter Toddington. Sie spinnen sich dessen Charakter zurecht, erfinden Vorlieben und Dialoge. Doch so richtig kompliziert wird es, als sie ihn und seine Frau tatsächlich kennen lernen. Wie schafft die Familie Carne es nun, beide Welten miteinander zu kombinieren und entspricht der Richter - von ihnen liebevoll “Toddy” genannt - tatsächlich ihren Erwartungen?
Irgendwo bei Bookstagram bin ich über dieses Buch gestolpert. Der Titel hat mich angesprochen, weil ich die Brontës gerne mag. Auch der Klappentext sagte mir zu und das Cover gefiel mir ausgesprochen gut.
Zitat: [...] Wie hätten wir ihr erklären sollen, dass Bücher lesen so ähnlich ist wie ein Bad nehmen, oder schlafen oder Brot essen - eine absolute Notwendigkeit, bei der man nicht darüber nachdenkt, ob man sie schätzt oder nicht. [...] S. 7
Meinung: Das Zitat zu Beginn des Buches klang bereits sehr vielversprechend. Schnell war ich jedoch äußerst verwirrt und ich brauchte eine Zeit lang, um den Gesprächen der Ich-Erzählerin Deidre, ihren Schwestern Katherine und Sheil, sowie ihrer Mutter folgen zu können. Hier hat es mir durchaus weitergeholfen, dass auch das Kindermädchen so seine Mühe damit hatte, die Verhältnisse in der Familie zu durchblicken. Hat man diese Irrungen und Wirrungen erst einmal durchschaut, ist der Roman äußerst amüsant. Mit viel Witz hat die 1892 geborene Autorin es geschafft, eine skurrile Familie mit einer eigenen Welt zu erschaffen.
Fazit: Letztlich kann ich sagen, dass die Geschichte mir oft ein Schmunzeln entlockt und mich gut unterhalten hat. Lediglich die anfängliche Verwirrtheit und die Zeit, die ich gebraucht habe, um in das Buch zu finden, haben meinen Lesefluss ein wenig beeinträchtigt. Ansonsten: eine schöne Geschichte.