Im deutschen Fernsehen gibt es eine ganze Reihe von Sendungen über das Leben in einer Justizvollzugsanstalt, zum Beispiel lief am 11.9.2024 /zdf.info „Knast in Deutschland, Schuld. Reue. Heimweh.“ Es ist nicht schön im Gefängnis. Aber weit weniger schön scheint das Vollzugssystem in den Vereinigten Staaten von Amerika zu sein. Fernsehen? No way. Zugang zu aktuellen Informationen? No way. Einkaufen im „Knastshop“? No way. Freilich sind meine Informationen lückenhaft, es mag sein, dass es nicht überall so streng und menschenunwürdig zugeht, wie es Rachel Kushner in „The Mars Room“, zu Deutsch „Ich bin ein Schicksal“ schildert.
Romy L. Hall ist eine junge Frau, die gleich bei der Ankunft in ihrem Zielort in ad seg kommt, mindestens ein Vierteljahr lang. Ad seg = administrative segregation gleich Einzelhaft. Sie ist eine Schwerststraftäterin. Was sie genau getan hat und warum, erfährt man erst ganz zum Schluss.
Der Kommentar und das Leseerlebnis:
Relativ emotionsfrei schildert die Autorin die Biografien einiger der Personen im Frauenknast sowie deren trostlosen Alltag. Die Frauen sind in der Mehrheit gewaltbereit, es gibt sofort Cliquen, die das Sagen haben. Man muss sich wehren und Allianzen bilden. Es ist eine doppelte Bestrafung, die die Frauen erleiden, einerseits den Freiheitsentzug, andererseits aber auch die Entmenschlichung durch den Staat und vor allem durch die harte Hierarchie, die im Knast herrscht. Romy gehört zu den Lebenslänglichen. Die Büchse der Pandora ist über ihr ausgeschüttet, alles Übel der Welt und das quasi von Anfang an, was zurückgehalten wurde, und das ist am Entsetzlichsten, ist die Hoffnung.
Romy geht zugrunde, weil ihr einziger Außenkontakt, ihre Mutter wegbricht und ihr abgesprochen wird, länger die Mutter für ihren jetzt 12jährigen Sohn zu sein. Sie erinnert sich daran, was sie alles gesehen hat, die Berge, die Schönheit San Franciscos und wie wenig sie das alles zu schätzen wusste. Da sie weder Geld noch Unterstützung von Außen hat, ist sie ein vergessener Mensch, der keine Chance auf ein wie auch immer geartetes Leben hat.
Fazit: Die Autorin zeigt, wie Hoffnungslosigkeit aussieht und wie dankbar wir für ein anders Justizvollzugssystem sein können in Deutschland; freilich ganz ohne Strafe und Vollzugssystem geht es einfach nicht. Reformen sind auch in unserem Land hart erstritten und erkämpft worden. Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe mit Sicherungsverwahrung ist ein äußerst schwieriges Thema und umstritten. Freilich lief mir bei der oben genannten TV-Doku, als es um „Ausführung“ von Menschen geht, die einen Mord begangen haben oder mehrere schwere Körperverletzungen, doch kalt über den Rücken.
Kategorie: Anspruchsvolle Literatur
Auf der Shortlist Man Booker Prize, 2018
Verlag für den dt. Titel: Ich bin ein Schicksal: Rowohlt, 2019
the Mars Room: Vintage 2018
gelesen im Original.