Edison Crane. Genie, Alleskönner und Universalgelehrter. Während seine Kindheit nicht ganz so einfach war und er oft wegen seines Intellekts Ärger bekam, ist er nun der Mann für alle Fälle. Gibt es irgendwo auf der Erde irgendwelche Probleme, sei es eine Ouvertüre für ein Fest, ein neues Telekommunikationssystem, ein Polymer, welches Essen länger frisch hält, oder ein drohender Asteroid der die Erde zerstören will, Edison Crane ist der Richtige für diese Aufträge. Eines Tages taucht eine junge Agentin auf, die ihn darum bittet merkwürdige Materialisationen zu untersuchen, bei denen Raumschiffe, Fahrzeuge und andere Dinge einfach so auftauchen …
Mark Millar, der smarte und sympathische Brite, lässt mal wieder seine grauen Zellen zu Hochtouren auflaufen und präsentiert eine faszinierende, aber auch teils sehr abgedrehte Story, die oberflächlich betrachtet auch von einem einfachen 08/15-unbekannten Durchschnittsautoren stammen könnte. Ja, wenn da nicht die Millartypischen Merkmale sind, an dem einen oder anderen Punkt über die Stränge zu schlagen und Konventionen über Bord zu werfen. Wer also bereits Arbeiten von Millar gelesen hat, wird sofort wissen, was ich meine und nein, es bezieht sich nicht auf die auch hier immer irgendwie präsente Gewalt in Millars Werken. Sei es das Sprengen eines Menschen in dessen Körper sich plötzlich ein Auto materialisiert, oder wenn geisteskranke Millionäre eine fröhliche Kinderjagd veranstalten. Doch genauso wie die Gewalt, sind es vor allem die Charaktere, die Millar „zeichnet“, die sofort faszinieren. Edison Crane ist einerseits sehr freundlich und hilfsbereit, andererseits aber auch ein arrogantes und überhebliches Arschloch. Kurzum gesagt, er vereint zwei Extreme in seinem Geist. So wie Millar vielleicht auch?
„Never Change a Winning Team“ sagt ein bekanntes Sprichwort, und genauso könnte man es auch mit Mark Millar und Rafael Albuquerque sehen. Immerhin haben die beiden bereits den Erfolgshit „Huck: Held wider willen“ auf die Beine gestellt und ähnlich erfolgversprechend lässt es sich nun mit Prodigy an. Albuquerques realistisches Artwork ist genau das Gegenstück zur teils doch sehr unwirklich erscheinenden Handlung des Bandes, wodurch diese aber deutlich an Glaubwürdigkeit gewinnt. Auch Albuquerques Spiel mit den Panels und Blickwinkeln hat fast schon etwas cineastisches. So könnte ich mir „Prodigy“ auch durchaus als Film oder Miniserie sehr gut vorstellen. Einzig über die Mimiken Albuquerques könnte man streiten. Zwar schafft er es glaubwürdig negative Emotionen über die Mimik der Figuren darzustellen, wahre positive Emotionen wirken dagegen eher gezwungen oder skurril.
„Prodigy: Die böse Erde“ ist ein gelungener Superhelden-Action-Thriller mit viel Potenzial und faszinierenden Charakteren, denen es stellenweise jedoch ein wenig an Tiefe und Glaubwürdigkeit mangelt. Auch wird die Handlung ab der Mitte des Bandes im Vergleich zur vorangegangenen Hälfte zu schnell vorangetrieben. Andererseits kann man dies auch als Vorteil ansehen, da weniger spannende Sequenzen so abgekürzt werden. Unterm Strich bleibt dennoch ein sehr unterhaltsamer Band mit sehr gutem Artwork.