Rezension zu "Alte Freunde" von Rafael Chirbes
Mit dem Abschluss seiner Spanien-Trilogie lässt Chirbes seine Figuren im 21. Jahrhundert ankommen. Der Plot ist schnell erzählt: Sechs "alte Freunde", ehemalige Mitglieder einer "marxistisch-leninistischen Splittergruppe", treffen sich Anfang der 2000er in einem Madrider Nobelrestaurant und erinern sich an gemeinsame Zeiten.
Dabei wirft der Autor einen messerscharfen Blick auf die ehemaligen Franco-Gegner; Chirbes schont seine Landsleute nicht. Die Verbrüderung der Intellektuellen mit der leidenden Arbeiterschaft entlarvt er als aufgesetzt: "Revolution heißt, hartnäckig die Not zu suchen, die man nicht leidet." Auch die Klassengesellschaft bekommt einen literarischen Seitenhieb verpasst, denn der reiche Bauunternehmer Pedro hat "Geldscheine mit Zementspuren. Sie sind genauso viel wert, wie die anderen, man kann sie aber nicht in Gesellschaft vorzeigen."
Die Freunde sind frustriert, Liebesbeziehungen sind zerbrochen, Ideale wurden verraten, und ihre Kinder haben sie an Drogen oder an den Kapitalismus verloren: "Ein gigantischer Supermarkt, das ist für sie die Welt."
Erzähltechnisch ist der Roman anspruchsvoll und verlangt konzentrierte Lektüre. Mit den Kapiteln wechselt die Perspektive zu den verschiedenen Gästen des Abends. Man darf den alten Freunden förmlich in den Kopf blicken, Chirbes schreibt ihre Gedankenströme auf, die ab und an um Gesprächsfragmente erewitert werden, nur damit ein Satzfetzen erneut eine Erinnerung triggert, die Gedanken abschweifen ... und wieder zur Unterhaltung zurück kehren. Das ist nicht immer leicht zu lesen, aber grandios gemacht. Ich bin Chirbes-Fan!