Cover des Buches Sophia oder Der Anfang aller Geschichten (ISBN: 9783446249417)
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Rezension zu Sophia oder Der Anfang aller Geschichten von Rafik Schami

Eine Liebe die Leben retten kann

von SalanderLisbeth vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Liebesroman, Krimi, Spionagethriller, Gesellschaftsstudie und Familienepos vom Meister der Erzählkunst. Topp!!

Rezension

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SalanderLisbethvor 8 Jahren

Die Geschichte erzählt von dem Syrer Salman Baladi, einem syrischen Christen, der in den 70er Jahren aus Damaskus fliehen musste. Seit 40 Jahren lebt er in Rom, ist beruflich als Geschäftsmann erfolgreich, glücklich mit der Italienerin Stella verheiratet und hat einen Sohn. Obwohl er ein erfülltes Leben im Exil führt, hat ihn die Sehnsucht nach seiner Heimat nie verlassen. Deshalb nutzt er die Generalamnestie von 2010 um endlich seine Familie wieder zusehen. Doch nur kurze Zeit kann er durch die Gassen seiner Kindheit schlendern und sich von seinen Verwandten bewundern lassen. Trotz aller Vorsicht wird Salman von einem geldgierigen Cousin verunglimpft und vom Geheimdienst verfolgt, der ihm ein Verbrechen unterschieben will und muss untertauchen. Helfen kann ihm nur Karim, eine Jugendliebe seiner Mutter Sophia.

In einem 2. Handlungsstrang erfahren wir von Karim, einem Moslem, der im fortgeschrittenen Alter noch eine große Liebe in Aida fand. Sophia rettete Karim vor Jahren das Leben und er steckt seit her in ihrer Schuld. Um Sophias einzigem Sohn zu helfen, begeben sich Karim und Aida in akute Lebensgefahr. Als Leser entwickelt man für die beiden rasch eine große Sympathie.


Schami springt mit seinen Handlungssträngen gekonnt hin und her zwischen Gegenwart und Vergangenheit und entfaltet dabei (s)eine Geschichte wie ein orientalischer Teppich, in dem er die Schicksale vieler Menschen zu einem bunten Kaleidoskop verwebt. Obwohl er dabei nicht chronologisch vorgeht, folgt man dem erzählfreudigen Autor mühelos. Überschriften mit Ort- und Zeitangaben über jedem Kapitel helfen dabei, nicht den Faden zu verlieren.

Für mich war es der erste Roman, den ich vom Autor gelesen habe und ich war über dessen Fabulierkunst und verschlungene Erzählweise begeistert.

Rafik Schami ist ein mitreißender, begnadeter Geschichtenerzähler. Die Rahmenhandlung mit den einzelnen Erzählsträngen erinnert mich an Märchen aus 1001 Nacht und berührt mich sehr. Dabei fesselt er mit seiner poetischen, empathischen Art zu schreiben und bringt dem Leser die fremd wirkenden orientalischen Lebens- und Gedankenwelten nah.

Der syrisch-deutsche Autor hat genau wie Salman im Untergrund gekämpft und Damaskus in den 70ern verlassen. Seit 40 Jahren lebt Rafik Schami nun im Exil in Deutschland. Und wenn man weiß, dass er es trotz Einladung nicht gewagt hat, seine Heimat zu besuchen, wird klar, dass er stattdessen seine Hauptfigur die Reise für ihn unternehmen lässt. Wenn man als Leser Salman durch die Gassen und Basare Damaskus begleitet, mit ihm Familienfeste feiert, erlebt man die Orte mit allen Sinnen, man meint förmlich alles riechen und schmecken zu können.

Schamis opulenter Roman beschreibt eine Gesellschaft, in der kurz vor dem Krieg die beklemmende Atmosphäre durch die Angst vor dem Geheimdienst und dem korrupten Regime jederzeit spürbar ist.

So wie sich das Leben und die Werte der Damaszener geändert hatten, veränderte sich auch ihre Sprache. Das Wort „Sicherheit“, früher völlig harmlos in seiner Bedeutung, war zu einem Synonym für den schrecklichen Geheimdienst, für Angst und Staatsterror geworden „Er schreibt“, sage seine Mutter „bedeutete früher, er ist ein Autor. Er hat eine schöne Schrift, hieß einst, jemand ist oder wird Kalligraph, aber heute bedeuten beide Sätze: Er ist ein Spitzel.“ (Auszug Seite 208)

Und natürlich erzählt der leidenschaftliche Autor klug und voller Wärme von der Liebe, die seiner Meinung nach die Religion aller Menschen sein sollte.

Rafik Schami zeichnet ein Bild der Menschen, die zwischen Tradition und Moderne leben und ist dabei hochaktuell. In Zeiten großer Flüchtlingsströme versteht man, warum Menschen aus ihrer Heimat fliehen und doch unter großem Heimweh leiden. Etwas verwirrend fand ich, dass fast alle Protagonisten, obwohl schon im betagten Alter, noch sehr agil sind und besonders Salman‘s Virilität mit über 65 überraschte mich. Dieses beeinträchtigte aber nicht den großen Lesegenuss.

Angezogen hat mich das wunderschön gestaltete hochwertige Cover, daß ein blau-grünes orientalisches Ornament zeigt.

Es wird nicht das letzte Buch vom ‚Damaszener Freund‘, so Rafik Schami's Künstlername übersetzt, für mich sein.

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