Roman über die Versenkung der Gustloff
Lies die vollständige Rezension auf meinem Blog Papiermosaik.
Nachdem mir "Die Flucht" von Tatjana Gräfin Dönhoff so gut gefallen hat, habe ich gleich ein zweites Buch von ihr gelesen. Erneut handelt sich sich um die Romanfassung des gleichnamigen Films, den ich allerdings auch nicht gesehen habe. Ich muss sagen, dass mich das Thema des Buches gleich gepackt hat. So oft liest man etwas von der Titanic, doch diese viel schwerwiegender Katastrophe schien im Gegenzug fast in Vergessenheit geraten zu sein.
Auch dieses Buch hat mir sehr gefallen, obwohl "Die Flucht" besser geschrieben war. Die Handlung der beiden Bücher ergänzt sich perfekt, da die Reise der Gustloff eng verknüpft mit der Flucht der Bewohner aus Ostpreußen ist. Kurz vor Ende des Krieges versuchen Hunderttausende von Menschen aus diesen Gebieten vor der Roten Armee zu flüchten. Die Gustloff war eines der Schiffe, die diese Verzweifelten aufnehmen und in Sicherheit bringen sollte. Im Buch erhält man einen sehr guten Einblick in die Verhältnisse am Ende des Zweiten Weltkriegs und wie tief die Verzweiflung der Menschen war. Ein echt beeindruckendes Stück Geschichte, das hier dargestellt wurde.
Die Protagonisten waren mir gleich sympathisch. Besonders das Schicksal der Simoneit-Familie hat mich gepackt, denn Lilli muss nicht nur den Tod ihrer erfrorenen kleinen Tochter verkraften, sondern auch dass ihr 15-jähriger Sohn Kalli versucht wird von der Wehrmacht einzuziehen und an die Front zu schicken. Auch Helmut und Erika waren sehr sympathische Charaktere, während Harald ebenso wie Lilli ein schlimmes, vom Krieg gezeichnetes Schicksal plagte.
Das große Problem dieses Buches waren die sehr verwirrend geschriebenen multiplen Perspektiven. Gerade zwischen Korvettenkommandant Petri und U-Boot-Kommandant Harald Kehding konnte ich manchmal absolut nicht durchsehen. Dazwischen wurden auch immer wieder Szenen aus der Sicht von Nebencharakteren geschildert, sodass man sehr leicht den Überblick verliert. Man konnte sich zwar gut in die Charaktere hineinversetzen, aber für mich waren diese dauernden Perspektivwechsel und multiplen Handlungsstränge einfach zu viel. Zwischendurch wirkte das Buch sehr hektisch. Fast hätte ich deswegen sogar nur 3 Sterne gegeben, aber die sehr spannende Handlung macht es am Ende doch wieder wett.
Auch gestört hat mich das manchmal sehr künstlich wirkende Drama. Während ich die Situation von Lilli und auch der schwangeren Marianne, die beim Untergang in den Wehen lag, authentisch geschildert fand, ging mir das Drama um Erika am Anfang etwas auf die Nerven. Nicht nur, dass ihr ein Haufen Privilegien zugestanden wurde, nur weil sie die Hauptperson war und der Kapitän des Schiffes ihr Geliebter war, sondern da war auch noch ihr verräterischer Cousin und ihre böse Vorgesetzte und ihr etwas ermüdender Helferwahn. Insgesamt hätte man die Geschichte des Untergangs besser verpacken können, aber ich kann das Buch trotzdem weiterempfehlen.
Noch eine kleine historische Anmerkung: Warum wurde dem Titanic-Unglück nun so viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt? Wirklich zu vergleichen sind die beiden Unglücke nicht, denn das Sinken der Gustloff ereignete sich in Kriegszeiten und war einem direkten Angriff geschuldet. Als größtes Unglück in Friedenszeiten stach die Titanic somit heraus. Auch die magische Atmosphäre des Edwardianischen Zeitalters und die Klassenunterschiede so dicht auf einem Schiff lassen sich nur auf der Titanic finden. Zudem sich sehr viele bedeutende Persönlichkeiten der 1910er auf der Titanic befanden. Dennoch fand ich es sehr gut, dass auch diesem Kriegsunglück mal Aufmerksamkeit geschenkt wurde!