Ein Science-Fiction-Roman von einem deutschen Schriftsteller - aus der DDR.
Dieses Buch war - damals beim ersten Lesen 1993 - der einzige Fiction-Roman, der hängengeblieben ist, den ich nicht schon beim Querlesen abgebrochen hatte (jedenfalls kann ich mich an keinen anderen erinnern), und umso überraschter war ich bei erneuter Lektüre, mehr als ein Jahrzehnt später während einer Internet-Recherche, dass "Die Untersuchung" von einem DDR-Schriftsteller verfasst wurde, Erstveröffentlichung 1984.
Ich hatte damals so meine Probleme mit deutschen Autoren im Allgemeinen und mit Science Fiction im Besonderen, weil mir deutsche Autoren oft zu verkopft waren oder Fiction zu abgedreht war, als dass ich den Geschichten folgen wollte, oder sie enthielten endloses Technikgesabbel oder waren bevölkert von seltsamen Wesen mit noch seltsameren Namen in weit enfernten... und so weiter und so langweilig.
Weit entfernt spielt dieser Roman zwar auch - aber zum Glück eben weit entfernt von langweilig.
Der hier gezeigte Einband war ein Blickfang in den Regalen des hiesigen Buchhandels, der deutsche Autorenname machte neugierig, und spätestens mit dem Klappentext hatte ich die Kaufentscheidung getroffen, weil er eines meiner liebsten Sujets in der Spannungsliteratur umschreibt: eine überschaubare Gruppe von Charakteren in einem isolierten Gebiet muss sich einer Herausforderung stellen.
Die Geschichte um einen jungen Schreibtischhengst und seiner Untersuchung dreier Todesfälle auf dem Saturnmond Titan gegen einen altgedienten Machtmenschen ist von der ersten Seite an spannend, logisch konstruiert und - für mich damals erstaunlich - auf internationalem Niveau mit zum Beispiel Lewis Shiners 'Frontera' jener Zeit. Es klingt weniger despektierlich als es mein Unwissen zeigt, aber so etwas hatte ich in diesem Genre nicht unbedingt von einem deutschen Autor erwartet.
Heute ist mir bewusst, dass mich mehr die Whodunit-Elemente gefesselt haben als der Fiction-Schauplatz, und dass meine Vorlieben eher in Richtung Science-Thriller und Cyberpunk gehen, aber diese Subgenres waren mir damals unbekannt.
Mittlerweile sind seit erster Lektüre mehr als 20 Jahre vergangen, sogar mehr als 30 Jahre seit Erstveröffentlichung, aber auch heute noch wirkt die Geschichte weder angestaubt noch altbacken, und dann und wann nehme ich das Buch erneut zur Hand.
Insgesamt haben sich deutsche Autoren seitdem nicht nur in den Genres Science Fiction und Space Opera einen Namen gemacht: ob nun Andreas Eschbach (Quest, Solarstation), Frank Schätzung (Limit) - um allseits bekannte zu nennen-, auch in den Genres Fantasy, Krimi und Abenteuer bewegen sich Autoren wie Kai Meyer, Volker Kutscher und Thomas Thiemeyer auf Augenhöhe mit den international etablierten Schreibern.
Vermutlich lassen sich systemkritische Anspielungen des DDR-Autors aus der Story herauslesen, aber diese Interpretationsebene überlasse ich anderen.