Italien, 1570: In der Stadt San Bernardo wütet die Pest. Matteo Lombardi, ein Schmiedssohn, dem die Seuche alles genommen hat, schafft es mit Mühe und Not, gemeinsam mit dem Mädchen Fiona der Hölle der Peststadt zu entrinnen - auf das sichere Landgut von Fionas Eltern. Verwandtschaftliche Bindungen führen Matteo weiter nach Venedig, in das Haus seines Onkels Tomaso Rovelli, eines Schiffsbaumeisters im berühmten Arsenal, wo ununterbrochen an der Produktion von Kriegsgaleeren gearbeitet wird. Denn Venedig ist bedroht. Vor Kurzem erst haben die Osmanen Zypern erobert. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Blick der türkischen Invasoren sich auf die "Serenissima" richtet. In Tomasos Obhut erlernt Matteo das Handwerk des Schiffsbauers. Doch schon bald muss der junge Mann erkennen, dass nicht alles ist, wie es sein sollte im Umfeld seines Onkels. Als Sahadi, der Diener von Tomasos zwielichtigem Mitbewohner Enrico, ermordet und verstümmelt wird, beginnt sich das drohende Unheil zuzuspitzen. Sahadi bleibt nicht das einzige Opfer. Welche bösen Mächte sind es, mit denen Enrico verkehrt? Oder ist er gar ein Spion der Osmanen? Welche Rolle spielt der ebenso vermögende wie skrupellose Grieche Alexis Kallimachos, der offenbar Sahadi auf dem Gewissen hat?
Während Matteo versucht, das düstere Rätsel zu lösen und dem sich zusammenbrauenden Bösen zu entkommen, um zu seiner geliebten Fiona zurückkehren zu können, eskaliert die Situation plötzlich auf ungeahnte Weise ...
"Die Lagune der Galeeren" von Rainer M. Schröder hat mich etwas zwiegespalten zurück gelassen.
Zum Einen muss ich hier wieder die große Erzählkunst des Autors loben, genau wie auch die Nähe zur Hauptfigur, die er zu erschaffen weiß. Schröder ist ein Meister des subtilen Spannungsaufbaus. Das macht er so meisterhaft, dass man am Beginn des Buches noch nicht einmal weiß, wohin seine "Heldenreise" führen soll. Die ersten Kapitel führen uns in das triste, düstere, fast schon apokalyptische Dahinvegitieren im pestverseuchten San Bernardo, wo Matteo erst seine Geschwister und die Mutter verliert, und dann mit dem Mädchen Fiona zusammen trifft, mit dem er schließlich aus der Stadt flieht. Der Autor lässt noch nichts davon erahnen, dass sein Thema nicht die Pest im 16. Jahrhundert, sondern die Türkenkriege in Venedig sind. Und das ist grandios. Wir schlittern in die Ereignisse also quasi genau so ahnungslos hinein, wie der jugendliche Held Matteo Lombardi, der bisweilen eher ein Antiheld zu sein scheint. Aus einer Hölle entkommen, lässt Schröder ihn - und uns - in die nächste Hölle stürzen.
Großartig ist ebenso, wie Schröder die Atmossphäre in und um Venedig aufbaut - hier muss der Autor wirklich sehr gründlich recherchiert haben. Die Figuren rund um das Arsenal sind ebenfalls sehr gelungen - besonders sticht hier Enrico hervor, der zwielichtige, unehrliche, aber doch irgendwie zutiefst sympathische Gauner, dessen Beweggründe und Handlungen bis zum Schluss fast undurchschaubar bleiben - um dann in der großen Wendung zu gipfeln.
Das Ende allerdings ist dann auch genau der Kritikpunkt. Einerseits muss ich auch dieses als absolut gelungen, und ebenso überraschend wie schockierend loben. Andererseits kommt es auch zum falschen Zeitpunkt. Denn was wir im Buch erleben - das Aufrüsten von Venedigs Seeflotte, die Angst vor dem Osmanenüberfall - ist genau das Vorspiel zur berühmten Schlacht von Lepanto, die uns Herr Schröder dann leider doch vorenthält.
Okay, hier muss man ihm zugestehen: Man könnte sich die Figur des Matteo wohl schlecht in einer Schlacht vorstellen - noch dazu in einer Schlacht, die ihn persönlich nichts angeht. Und vermutlich hat Schröder es daher genau richtig gemacht, indem er Matteo schon vorher aus Venedig flüchten ließ - es ist die logischste Handlung, bedenkt man die Entwicklung dieses Hauptcharakters. Trotzdem wurmt es mich etwas, dass im Roman ständig alle von den Osmanen reden, und wir als Leser die besagten Osmanen dann doch nicht mehr zu sehen bekommen. Auch den Griechen Alexis Kallimachos hätte ich persönlich gerne im "Showdown" noch einmal gesehen - er war schließlich ein nicht unbedeutender Antagonist, der durchaus mehr Platz verdient hatte.
Das alles ist natürlich Meckern auf sehr hohem Niveau. Aber es ist Schröder - da sind meine Erwartungen auch entsprechend hoch. Wenn ich auch zugeben muss, dass Rainer M. Schröder meine Erwartungen im Großen und Ganzen vollkommen erfüllt hat.
Er zeigt uns das Italien und Venedig der Spätrenaissance aus dem Blickwinkel der kleinen Leute, gibt Einblicke in die Arbeit im venezianischen Arsenal und liefert einen wendungsreichen historischen Spannungsroman mit absoluter Sogwirkung. Also: Was will man eigentlich mehr?
4,5 von 5 Sternen