Ferryman beginnt auf der scheinbar perfekten Insel Prospera – ein Ort voller Schönheit, Ordnung und Wohlstand. Menschen leben hier lange, werden bei Bedarf „resettet“ und starten mit jugendlicher Frische neu. Proctor Bennett begleitet als sogenannter Fährmann diese Übergänge – bis ihn eine Serie irritierender Vorfälle ins Wanken bringt: Erinnerungsfetzen, unerklärliche Wetterumschwünge, ein verstörendes Verhalten seines Vaters. Was als routinierter Lebensentwurf beginnt, verwandelt sich rasch in eine Reise voller Zweifel, Erkenntnisse und letztlich Wahrheitssuche.
Justin Cronin gelingt es, eine Geschichte zu erzählen, die gleichermaßen unterhaltsam wie literarisch anspruchsvoll ist. Sein Schreibstil ist atmosphärisch dicht, emotional berührend und gleichzeitig präzise konstruiert. Die Welt von Prospera entfaltet sich mit großer sprachlicher Kraft und fast filmischer Bildhaftigkeit – ein echtes Kopfkino. Trotz seiner Komplexität bleibt der Roman zugänglich und fesselnd: ein echter Page-Turner.
Besonders beeindruckend sind die fein ausgearbeiteten Figuren, deren emotionale Tiefe spürbar wird. Cronin nutzt ihre Geschichten, um zentrale Themen zu verhandeln, die aktueller nicht sein könnten:
- Wohin führt uns der Klimawandel und die Zerstörung unseres Planeten?
- Wie verändert sich Gesellschaft, wenn Macht und Ressourcen in den Händen weniger liegen?
- Welche Rolle spielt Überwachung – als Schutz oder als subtile Form der Kontrolle?
- Was bedeutet es, ewig leben zu wollen – und welchen Preis zahlt man dafür?
- Was bleibt vom Menschsein, wenn wir tiefe, familiäre Beziehungen verlieren?
- Ist Schmerz – so unangenehm er ist – notwendig, um unserem Leben Sinn zu verleihen?
Ferryman verbindet Dystopie, Sci-Fi und Mystery auf kluge und spannungsreiche Weise. Es ist ein Buch, das nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt – über Gesellschaft, Technologie, Menschlichkeit und Erinnerung.
Für mich war dieser Roman ein echtes Highlight – spannend, berührend, bildstark und voller Ideen. Ich habe ihn in wenigen Tagen verschlungen und denke noch lange darüber nach.
5 Sterne. Uneingeschränkte Leseempfehlung.